Das Beste und Schlimmste der Kurier-Leser

Von Andrea Pauly

Es sind düstere Einblicke in die Gedanken einiger Leser: politische Entgleisungen, erschreckende Anfeindungen und persönliche Angriffe. Beim dritten Hate-Slam des Kuriers im Zentrum lässt sich die Kurier-Redaktion in die Abgründe ihrer Postfächer und Online-Kommentare schauen. Aber sie erlaubt auch einen Blick in die eigenen Verfehlungen.

 
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Den Vorwurf, Lügen- oder Lückenpresse, manipuliert und gesteuert zu sein, haben im vergangenen Jahr einige Leser und Ich-hab-mein-Abo-gekündigt-aber-lese-doch-noch-ab-und-zu-mal-Leser formuliert - gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Einer von ihnen fühlt sich  jetzt bei der „Jungen Freiheit“ besser aufgehoben, weil „die sich auch für deutsche Interessen einsetzt“.

So ernst der Hintergrund auch sein mag, bei manchen Formulierungen aus Leserbriefen und Kommentaren verlieren auch die Redakteure die Contenance: Als er vom „versteckten Paradies Bad Berneck“ liest, schnappt auch Otto Lapp vor Lachen nach Luft.

Volker Strübing und seine Liebe zur See

Die Kurier-Redakteure sind nicht allein auf der Bühne. Der ehemalige Stadtschreiber Volker Strübing holt die Zuschauer aus dem merkwürdigen Gefühl aus Empörung, Entrüstung und Ungläubigkeit heraus. Er macht aus dem Hate-Slam immer wieder kurz einen Poetry-Slam. Obwohl er über das „Kindergekriege“, nervige Software-Aktualisierungen und seine Liebe zur See spricht, stellt er immer wieder den Bezug zum Hintergrund des Abends her, indem er den Studienwunsch „Was mit Medien“, die digitale Entwicklung oder die Systemmedien in der DDR erwähnt.

Unfreiwillige Komik durch Stilblüten

Und weil der Hate-Slam nicht dazu gedacht ist, schlechte Stimmung zu verbreiten, geht es weiter mit unfreiwilliger Komik ohne schlechten Beigeschmack: Die Redakteure rezitieren überbordende blumige Beschreibungen von musikalischen Darbietungen sowie die Ankündigungen, dass das Frauenfrühstück im Pimmlerhaus stattfindet und Säle mit langen Tischen bestuhlt werden.

Da ist die Rede davon, dass Stress dabei hilft, die Familie abzubauen, die Dunkelziffer bei Zwergfledermäusen hoch ist und die Information zum Thema Sucht in gezwungener Atmosphäre stattfindet. Aus beliebt wird beleibt, aus Beamten werden Besamte, aus dem beliebten ein beleibter Kaplan.

Thailändischer Akzent

Auch der Anzeigenteil bietet Grund zum Grinsen. Christina Knorz trägt den Text einer Thailänderin auf der Suche nach einem liebevollen Mann mit Talent zum Akzent vor. Und auch, warum die Todesrinne den Unterschied zwischen Grünem und Roten Hügel ausmacht, erfahren die Zuhörer aus einem dramatischen Leserbrief.

 

 

Auf welches Konto soll das Geld?

Was sich die Redakteure so alles anhören müssen! Da fragt ein Vereinspräsident, auf welches Konto er Geld überweisen müsse, damit der Kurier mit Fotos berichtet. Lob gibt es für Joachim Braun, weil er immer wieder lernresistenten Legasthenikern einen Job gibt. Einzelne Redakteure werden als „Zeitungsschmierer“ oder „großer, großer Klugscheißer“ beschimpft. „Richtig scheiße, doof zu sein, oder?“

Artikel bitte kostenlos!

„Sie wissen, dass ich den Kurier eh nicht leiden kann“, schreibt eine, die gern die Inhalte trotzdem gern kostenfrei lesen möchte. Andere sehen durch die Zeitung ihren ästhetischen Sehnerv beleidigt.

Deftige Worte und Applaus zum Abschied

Und dann der Abschied: Joachim Braun, der bisherige Chefredakteur des „Nordbayerischen Kuriers“, ist seit drei Tagen bei der „Frankfurter Neuen Presse“. Für den Hate-Slam kehrt er noch einmal zurück und lässt die Bayreuther daran teilhaben, was es bedeutet, als Journalist immer wieder Stellung zu beziehen. Sein Weggang wird von einigen bejubelt: „Gehen Sie mit Gott, Herr Braun – aber gehen Sie endlich!“ schreibt ein Ex-Leser, „ergebenst und demnächst erlöst“. Und dann legt der anonyme Verfasser nach und schreibt, dass Brauns Frau und Tochter demnächst in Frankfurt keine Angst haben sollen, wenn sie von arabischen Jünglingen betatscht werden. „Die wollen nur spielen! Das ist halt Multi-Kulti!“

Von einer solchen Stimmung gegenüber Braun ist im Saal nichts zu bemerken. Er bekommt zum Abschied anhaltenden Beifall und ein besonderes Ständchen auf Video, das die Redaktion für ihn gesungen hat: „Ich wünsch dir noch ein geiles Leben.“

 

 

Noch viel Luft nach oben

Ob es auch ohne ihn im nächsten Jahr genügend Stoff für einen Hate-Slam geben wird? Das hängt von den Zuschriften der Leser und der Nicht-mehr-Leser ab, die sich ja besonders gern kritisch äußern. Und außerdem: In Sachen Systemmedien ist ja noch viel Luft nach oben. Das hat jedenfalls Volker Strübing gesagt.

 

 

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