Energieeinspar-Richtlinien machen den Erhalt von zeitgenössischer Grafik und Skulptur an Häusern fast unmöglich Dämmung frisst Kunst

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Die Häuser an der Dr.-Würzburger-Straße sollen nach und nach saniert und gedämmt werden. Dadurch könnte auch die Kunst von Anton Russ verschwinden. Was nicht nur Leser stört, sondern auch die Verantwortlichen der Gemeinnützigen Bayreuther Wohnungsbaugesellschaft. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Die Giraffe ist in Gefahr. Genauso wie die Sonnenuhr, die ja nur die glücklichen Stunden zählen soll. Schmetterlinge und andere grafischen Figuren könnten genauso verschwinden. Das, sagt nicht nur Tilman Schulz, wäre ein Jammer. Ein Verlust zeitgenössischer Kunst am Bau in Bayreuth. Schuld daran ist nicht Unwille der Hausbesitzer. Es sind die Vorschriften, die gelten, wenn Häuser gedämmt werden sollen.

 
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Tilman Schulz fährt sehr oft über die Dr.-Würzburger-Straße. Schulz ist Pathologe am Klinikum. Und er fährt von dort oft in den Baumarkt in der Spinnereistraße, weil er leidenschaftlich gern in Haus und Garten arbeitet, wie er am Montag im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. Fast genauso wie auf den besuch im Baumarkt freut er sich über die großformatige Kunst am Bau an den Häusern der Gemeinnützigen Bayreuther Wohnungsbaugesellschaft (GBW). Schulz liebt Kunst. "Alle Stilrichtungen", sagt er. Aber gerade die Formensprache der Nachkriegszeit, "die ja oft sehr stiefmütterlich behandelt wird, weil man sie irgendwann miefig fand", wie sie an den Häusern zu finden ist, habe ihren Charme. "Wunderschöne Gebrauchskunst", sagt Schulz, "gut gemacht. Man sieht, da hat sich jemand Mühe gegeben". 

Erstes Haus ist gedämmt - eines ohne Kunst

Nachdem das erste Haus in dieser Reihe schon eingerüstet und fast fertig gedämmt ist, hat Schulz Sorge, dass auch die anderen folgen können. Und die Kunst von der Dämmung aufgefressen wird. Eine Anfrage beim Bauordnungsamt habe schon eine für den Kunstliebhaber niederschmetternde Erkenntnis gebracht: Kein Denkmalschutz, also auch keine Handhabe, die Bilder und Stahlkunstwerke zu erhalten. Dabei, sagt Schulz, "ist das Ensemble mit den fünf Kunstwerken in Bayreuth wohl einmalig".

"Sitzen total in der Klemme"

Bei der GBW stößt Schulz' Forderung nicht auf taube Ohren. Im Gegenteil. Uwe Langhammer, der technische Leiter der Wohnungsbaugenossenschaft, findet es selber schade, sollten die Kunstwerke verschwinden. "Aber wir sitzen total in der Klemme", sagt Langhammer. Auf der einen Seite die Kunst. Auf der anderen Seite die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEv) und oben drauf noch die Förderrichtlinien der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit ihren strengen Vorgaben. Während in "Kunst im öffentlichen Raum", einer Publikation des Bayreuther Stadtheimatpflegers Franz Simon Meyer, der Name des Künstlers als unbekannt angegeben ist, hat Uwe Langhammer einen Namen parat: "Die Bilder stammen von Anton Russ, der in Bayreuth in der Carl-Schüller-Straße sein Atelier hatte und der viele Aufträge aus diesem Bereich gemacht hat."

"Der Lauf der Zeit"

Er fände es traurig, sagt Bernd Romankiewitz vom Kunstmuseum Bayreuth, wo die Sammlung von Anton Russ im Archiv ist, wenn die Fassaden die Bilder verlieren würden. Auch Franz Simon Meyer sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: "Wenn auch diese Kunst verschwinden würde, wäre es schade. Aber ich fürchte, man kann es nicht verhindern. Das ist der Lauf der Zeit. Zehn, 15 Kunstwerke, die ich in den vergangenen zehn Jahren fotografiert und dokumentiert habe, sind schon verschwunden". Darunter ein Betonrelief von Anton Russ, das am BRK-Gebäude in der Hindenburgstraße die Waschbeton-Fassade aufgelockert hatte.

Kunst war in den 50ern Vorgabe

So wie es heute Vorgabe ist, Gebäude zu dämmen, war es in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts "Vorschrift, beim sogenannten sozialen Wohnungsbau Kunst ins Spiel zu bringen", sagt Uwe Langhammer. "Ich bin in Moosing aufgewachsen. Die Bilder waren für mich allgegenwärtig. Schon immer." Die Häuser, die Giraffe, Pinguin, Schmetterlinge und Sonnenuhr an ihren Giebelfassaden tragen, ebenfalls gedämmt werden müssen, sagt Langhammer. "Wir wissen es tatsächlich noch nicht, wie wir es hinkriegen." Bei den Metallkunstwerken wäre es "kein Problem, sie abzubauen". Aber nicht alle sind aus Metall. Manche sind gemalt, andere gefliest. Die Vorgabe des Denkmalschutzes in solchen Fällen: Man soll die Kunst am Haus belassen und die Dämmung darüber machen. "Aber wenn das überklebt wird, ist es auch weg. Und dann verschwindet, was dem Haus Charme und Gesicht verleiht."

Der Dämm-Wahn unserer Zeit

Langhammer nennt das, was derzeit läuft, "einen Dämm-Wahn". Acht bis zehn Zentimeter Dämmung reichten aus seiner Sicht vollkommen aus. "Jeder Zentimeter mehr ist einer für die Dämm-Lobby."  16 Zentimeter Dämmung werden gefordert, wenn man Geld für die Sanierung von der KfW will, sagt er. Das mache es schwer, Kunst auszusparen. Zumal dann, wenn sie großflächig auf der Fassade ist. "Dann schaffen wir uns selber Wärmebrücken, die zu Problemen führen können." Kunst sei ja nicht das einzige Thema: "An manchen anderen Häusern sind wunderschöne Sandsteingewände. Die verschwinden auch hinter Dämmungen. Im Sinne des Erfinders kann das nicht sein", sagt Langhammer. Für die Häuser in der Dr.-Würzburger-Straße sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, sagt er. "Irgendwann müssen wir ran." Vielleicht mit einer Lösung für die Kunst von Anton Russ.

   

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