Bischöfe warnen vor dem Schüren von Hass und Angst Greiner und Schick: Christen sollen bei Pegida nicht mitmachen

Von Elmar Schatz
Erinnern an das Gebot der Nächstenliebe: Regionalbischöfin Greiner und Erzbischof Schick. Fotos: red Foto: red

In Dresden sind am Montag rund 15 000 Anhänger von Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") auf die Straße gegangen. Jetzt warnen die evangelische Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner und der katholische Bamberger Erzbischof Ludwig Schick im Kurier-Doppelinterview vor Pegida. Schick sagt: "Christen sollen bei Pegida-Demos nicht mitmachen." Warum?

 
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Warum passt es nicht zusammen, am Sonntag in die Kirche zu gehen und am Donnerstag bei Pegida mitzumarschieren?

Regionalbischöfin Greiner: Fremdenfeindlichkeit passt nicht zur Botschaft Jesu Christi. Jesus hat uns vor Augen gemalt, dass er uns im Gericht konfrontieren und sagen wird: „Ich war fremd und ihr habt mich (nicht) aufgenommen.“ Die Botschaft in unseren Kirchen ist klar: Jesus identifiziert sich mit den Fremden - auch mit muslimischen Fremden. Er erwartet, dass wir ihnen mit Liebe und nicht mit Abwehr entgegentreten. Manche denken, es sei christlich den Muslimen feindlich gegenüber zu stehen. Dabei ist es zutiefst unchristlich. Uns Christen ist Liebe zu allen Menschen aufgegeben. Jeder Mensch hat ein Recht zu demonstrieren; doch wer bei diesen Demonstrationen mitmarschiert kann nicht mit der Botschaft Jesu argumentieren.

Erzbischof Schick: Weil bei den Pegida-Demonstrationen irrationale Ängste und Hass gegen Fremde geschürt werden. Das ist nicht christlich! Ich weiß, dass nicht nur Rechtsradikale bei diesen Demos mitmarschieren und dass viele Demonstranten berechtigte Anliegen und vernünftige Ansichten haben. Aber diese Aktionen drohen zu einem Sammelbecken für diffuse Ängste und Aggressionen zu werden, die von politischen Wirrköpfen missbraucht werden. Da sollten Christen sich nicht instrumentalisieren lassen. Deshalb bleibe ich dabei und sage: Christen sollen bei Pegida-Demos nicht mitmachen. Wir haben andere Instrumente, um unseren Glauben zu bezeugen, unsere Anliegen vorbringen und unsere Werte zu propagieren.

58 Prozent der Deutschen befürchten mehr Einfluss des Islam; wurde die diffuse Angst zu lange ignoriert; sollte die Islamophobie Thema von Predigten sein?

Greiner: Die Islamophobie wird – da bin ich überzeugt – Thema vieler Predigten in Zukunft sein. Auch meiner Predigten. Doch das Erste muss sein, diese Menschen mitsamt ihren Ängsten anzunehmen und die Ängste ernst zu nehmen. Wir können Ängste nicht einfach ignorieren und wegdemonstrieren. Doch es gilt Menschen Mut zu machen, damit Menschen sich von ihre Ängsten nicht bestimmen lassen, sondern von dem, was christlich und vernünftig ist. Auch die Politik ist gefragt, sodass die Ursachen der Ängste ausgeräumt werden: Es braucht stärkere Bemühung um echte Integration und Beheimatung von Fremden in unserem Land. Rechtsextreme Gruppen schüren diese Ängste und missbrauchen sie, um ihre eigenen radikalen Interessen durchzusetzen. Es braucht Menschen, die dem argumentativ und entschieden entgegentreten.

Schick: Wir predigen Christus und sein Evangelium! Unser Problem in Deutschland ist nicht, dass der Islam stärker wird, sondern dass das Christentum in unserer Gesellschaft schwächer wird. Wenn sich die Christen zurückziehen, entsteht ein Vakuum, das unter anderem von religiösen Extremisten gefüllt wird. Wir Christen müssen Flagge zeigen. Wir dürfen aber auch die gläubigen Muslime nicht mit Islamisten, die vor Mord und Terror nicht zurückschrecken, auf eine Stufe stellen. Die Sorge um den sich ausbreitenden IS-Terror, von Boko Haram und Dschihadisten ist mehr als berechtigt. Aber deshalb von einer drohenden Islamisierung des gesamten Abendlandes zu sprechen, ist nicht angemessen, wenn man sich den Anteil der - überwiegend friedlichen! - Moslems in unserer Gesellschaft anschaut. In unseren Predigten, aber auch im täglichen Leben, sollten wir das Christentum und seine Werte, Friede, Gerechtigkeit, Nächstenliebe, hochhalten und für Gleichberechtigung und Religionsfreiheit werben. Die Religionsfreiheit fordern wir natürlich auch für die Christen in anderen Ländern ein, besonders wo sie verfolgt werden.

Jedes Jahr werden 100 000 Christen ermordet, warum regt dies kaum jemanden auf?

Greiner: Das stimmt nicht, dass das niemanden aufregt. Ich bin höchst alarmiert. In unserer Kirche gibt es zahlreiche Initiativen, die Christen zu schützen und ihnen in ihrer Not zu helfen. Ich danke gerade denjenigen Vertretern muslimischer Verbände, die sich hier eindeutig zu Wort gemeldet haben und jegliche Verfolgung von Christen verurteilt haben.

Schick: Das regt mich sehr auf, und viele andere Menschen auch. Am 26. Dezember ist der Gebetstag für die verfolgten und bedrängten Christen, der mir sehr am Herzen liegt. Und als Weltkirche-Bischof werde ich nicht müde, an das Schicksal dieser Menschen zu erinnern, so auch gerade auf einer Pressekonferenz in Berlin.  

Kirchengemeinden engagieren sich für Menschen in Afrika, Nahost, Asien, Lateinamerika, aber müsste nicht viel mehr getan werden?

Greiner: Der  Einsatz der Kirchen verfolgt keinerlei wirtschaftliche Eigeninteressen. Es geht uns immer um Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht auch darum, die Bewohner der jeweiligen Länder vor Ausbeutung und spätimperialistischem Gebaren zu schützen und sie durch Bildung zu eigenständigem sozialem und wirtschaftlichem Handeln zu befähigen. Auch die Weitergabe unseres christlichen Glaubens und seiner Werte gehört dazu.

Schick: Ich bin sehr dankbar für alle, die sich engagieren oder spenden, gerade jetzt in der Weihnachtszeit oder wenn im Januar die Sternsinger wieder unterwegs sind. Es ist immer mehr möglich. Und jeder muss sich selbst ehrlich fragen, was er tun kann. Und ob er auch noch mehr tun kann. Die Kirchen leisten „Hilfe zur Selbsthilfe“ - und diese Hilfe ist selbstlos. Das ist der Unterschied zu vielen Staaten! Wir wollen Kinder und Jugendliche in den Entwicklungsländern durch unsere Schulen bilden, damit sie später ihre Länder selbst entwickeln und gestalten können. Die Krankenhäuser und Sozialstationen der Kirche heilen und tragen zur Gesundheit der Bevölkerung ohne Ansehen der Person und der Religion bei. Wir handeln nicht nach dem Grundsatz „Geben und Nehmen“, sondern wir geben ohne etwas zurückzufordern und erwarten nicht einmal eine Gegenleistung.


Stimmen gegen Pegida auf Twitter: Unter dem Hashtag #nichtinmeinemnamen formiert sich derzeit auf Twitter eine Gegenbewegung zu Pegida, flankiert von den Kirchen.

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