Empfundene Zwangslage reicht als Grund
Sie richteten sich beide wieder arbeitsfähig her, trennten sich. Was hinter der verschlossenen Tür der Station stattgefunden hat, darin sieht der Staatsanwalt eine Vergewaltigung. Paragraph 177, Absatz 2 des Strafgesetzbuches. Erst seit 10. November 2016, also knapp mehr als einem Monat, war das neuen Sexualstrafrecht („Nein ist nein“) beschlossen. Ein Opfer muss nicht mit Gewalt gezwungen werden, es reicht eine empfundene Zwangslage.
Kaum hatte das neue Jahr begonnen, trennte sich das Klinikum von seinem Chefarzt zum 31. Januar. „Arbeitsrechtliche“ Konsequenzen, heißt es. Die der Arzt in vollem Umfang akzeptierte: Freistellung und Hausverbot. Die Frauen arbeiteten weiter in der Klinik, die sich zum Fall weiter nicht äußert.
Freistellung wegen "Fehlverhaltens"?
Anfang des Jahres hatten sich laut Pressemitteilung der Klinik „mehrere Mitarbeiterinnen“ gemeldet, die die Klinikleitung über den Chefarzt informierten. Nach Informationen des Kuriers waren es vier. Was sie vortrugen, ist nicht bekannt. Aber es dürfte um die Verhältnisse des Chefarztes gegangen sein. Eine der Frauen soll die Hauptzeugin vorher auf das Verhalten des Arztes Frauen gegenüber angesprochen haben. Die Sache nahm ihren Lauf.
Wenige Tage später las der Staatsanwalt in der örtlichen Zeitung „Fränkischer Tag“ von der Freistellung des Chefarztes und von „Fehlverhalten“ gegenüber Frauen. Die Klinik hatte darin zwar einen Verstoß gegen ihre Arbeitsvorschriften gesehen, nicht aber etwas strafrechtlich Relevantes. Sie zeigte ihn nicht an. Auch die Mittdreißigerin zeigte den Chefarzt nicht an. Ebensowenig die anderen Frauen.
Untersuchungshaft
Aber der Staatsanwalt ermittelte, der Chefarzt landete in der Untersuchungshaft. Bis heute. Ihm wird vorgeworfen, an jenem Dienstag im Dezember eine Frau vergewaltigt zu haben. Er soll sie dazu gedrängt haben, „gegen ihren ausdrücklichen Willen den Oralverkehr bei ihm auszuüben“, heißt es in der selten so detaillierten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bamberg.
Die Ermittlungen dauern noch, sagt Staatsanwalt Matthias Bachmann. Mehr sagt er nicht. Ob auch die anderen Frauen als Zeuginnen mit einbezogen werden, ist nicht sicher. Falls ja – und falls es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, müssten sie aussagen. Auch in ihrem Leben hätten die Ereignisse jenes Dienstages vor Weihnachten tiefe Spuren hinterlassen.
„Es droht, dass man Verhältnisse zwischen Kollegen nicht mehr nur moralisiert, sondern kriminalisiert“, sagt ein am Verfahren Beteiligter.
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