Chefarzt-Prozess: Hafturlaub gestrichen

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Heinz W., einst Chefarzt, jetzt wegen Vergewaltigung angeklagt. Foto: Lapp Foto: red

Erst im Knast verprügelt, jetzt darf er nicht zu seiner schwer kranken Mutter und zur Familienhochzeit: Es läuft nicht gut für den ehemaligen Bamberger Chefarzt, der wegen angeblicher Vergewaltigung im U-Haft sitzt. Auch vor Gericht sind viele Anträge der Verteidigung abgelehnt.

 
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Heinz W. (50) wehrt sich seit mehr als einem Jahr vor dem Bamberger Landgericht gegen schwere Vorwürfe: Er soll zwölf Patientinnen sediert haben und sich sexuell an ihnen vergangen haben. Eingeräumt hat er bereits am zweiten Prozesstag im März letzten Jahres, Frauen im sedierten Zustand im Intimbereich fotografiert zu haben. Aber alles sei zu  medizinischen Zwecken geschehen, nicht zu seiner Befriedigung. Der Staatsanwalt hingegen wirft ihm unter anderem Vergewaltigung vor.

Seit August 2014 sitzt der verheiratete Vater zweier Kinder in U-Haft, jetzt hat er versucht, an diesem Samstag wenigstens für einen Tag zur Hochzeit seines Cousins Steffen W. in München aus der JVA Bamberg herauszukommen. Vergeblich. Wegen „enormer Fluchtgefahr“ hat sich der Leitende Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb gegen den Urlaub vom Knast gewehrt. Auch der Leiter der JVA, der letztlich zu entscheiden hat, war dagegen. Die Hochzeit eines Cousins sei „kein wichtiger Anlass“, und nur wegen eines solchen dürfe ein U-Häftling Urlaub bekommen. Außerdem bräuchte es sechs Beamte am Tag, um Heinz W. gefesselt zur Feier zu bringen und dort zu bewachen. Es bestehe „höchste Fluchtgefahr“ wegen der „erheblichen Freiheitsstrafe“, die W. drohe. Dadurch werde dessen „bürgerliche Existenz zusammenbrechen“. W. habe „eigentlich nichts mehr zu verlieren“, eine Flucht also das Wahrscheinlichste.

Letztes Gespräch mit seiner dementen Mutter?

Auch dass W. bei der Feier wohl eine der letzten Gelegenheiten nutzen könnte, seine demente Mutter zu sehen, lässt die JVA Bamberg nicht gelten. Im Gegenteil: Es sei eher „bedauerlich“, dass W. für einen Urlaubstag mit seiner dementen Mutter argumentiere, heißt es in der Ablehnung.

Klaus Bernsmann, einer von W.s drei Verteidigern ist enttäuscht. Die demente alte Dame habe W. in der U-Haft besucht, was bei ihr „größte Unruhe und extreme Ängste“ ausgelöst habe, so dass sie ihren Sohn nicht wieder besuchen könne. Es gebe deutliche Anzeichen dafür, dass wegen der rapide fortschreitenden Krankheit „die Zeit immer kürzer“ werde, in der die beiden als Mutter und Sohn miteinander sprechen könnten. Beim Besuch seiner Mutter habe das Wachpersonal den „geschockten“ W. in seine Zelle führen müssen. Bernsmann nennt den abgelehnten Urlaubstag "menschenrechtswidrig", auch weil die U-Haft schon so lang dauere.

Und Bernsmann sieht darin einen weiteren Beleg, wie „voreingenommen man“ mit seinem Mandanten umgehe. Er sieht eine „erneute Vorverurteilung, die Unschuldsvermutung ignoriert“. Und er werde rechtlich gegen die Entscheidung der JVA vorgehen.

Sicherheit der Allgemeinheit geht vor

Ullrich Mann, der Leiter der JVA Bamberg, schweigt zum Fall. W. Er sagt aber, nur „sehr wenige“ U-Häftlinge bekämen überhaupt Urlaub. Und wenn, dann hauptsächlich wegen gesundheitlicher Gründe oder bei „singulären Ereignissen im familiären Umfeld, etwa der Bestattung oder der schweren Krankheit eines engen Angehörigen“. Für die Entscheidung ist der JVA-Chef zuständig, holt sich aber Stellungnahmen von Staatsanwalt und Richter ein. „Es ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Gefangenen gegen die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit.“ In dem Fall gegen das wohl letzte Mutter-Sohn-Gespräch.

Erst vor wenigen Wochen war W. bei einem Hofgang von einem Mitgefangenen niedergeschlagen und verletzt worden (der Kurier berichtete). Auch alle Befangenheitsanträge von W.s Verteidigern, die Gutachter für fachlich „ungeeignet“ und „voreingenommenen“ halten, wurden abgeschmettert.

Ihm drohen bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung mindestens ein Jahr Haft. Wann das Urteil fällt, steht noch lange nicht fest.

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