"Kritiklose" Ermittler?
Ein weiterer Vorwurf in Richtung Ermittler: Sie hätten die toxikologischen Werte „kritiklos“ übernommen, ohne es von Fachleuten untersuchen zu lassen. Bernsmann: „Ich sehe unter den Gutachtern keinen Pharmakogen“ – noch ein Vorwurf. Denn dieser hätte herausfinden können, dass die Werte gar nicht stimmen konnten. Man habe sich auf einen Laborarzt verlassen.
Wenn diese Berechnungen stimmen, dann liege kein dringender Tatverdacht gegen Dr. W. vor. Deshalb sei er sofort aus der Haft zu entlassen. In Haft darf nur, gegen wen ein „dringender“ Verdacht vorliegt, nur aufgrund eines „hinreichenden“ Verdachts dürfe niemand inhaftiert werden. Der letzte – eher versteckte – Vorwurf in Richtung Ermittler: Sie hätten nicht genügend Material gesammelt, um die Unschuld von Dr. W. zu belegen. Auffallend ist, dass der Internist und Vater der Hauptzeugin bislang überhaupt nicht vernommen wurde. Auffallend ist auch, dass Romana S. vor der Blutentnahme auf dem Parkplatz nochmal zu sich nach Hause gefahren ist. Auffallend ist weiter, dass die Blutentnahme auf einem Parkplatz war, nur wenige Kilometer vor der Praxis ihres Vaters entfernt.
„Wir haben medizinische Untersuchungen, die eine Betäubung belegen. „Meine Mandantin hat sich nichts eingebildet“, sagte Romana S.s Anwalt. „Ich sehe keine Fakten, ich sehe nur Mutmaßungen.“
Doch selbst der oberste Ankläger, der leitende Oberstaatsanwalt Bernd Lieb, räumte Fehler ein. Bisher habe man sich an den Gutachter des Toxikologen gehalten – und sei von seinen Werten als richtig ausgegangen .Allerdings seien, das räumte Lieb auch ein – die Uhrzeiten „nicht ganz korrekt“. In der fast einstündigen Verhandlungspause hat Lieb im Internet recherchiert. Er ist „gern bereit, sich ausführlichst gutachterlich“ beraten zu lassen.
Prozessfortgang ungewiss
Das Gericht muss jetzt entscheiden, ob es einen zusätzlichen Gutachter beruft, der sich mit toxikologischen Gutachten auskennt. Und es muss entscheiden, ob W. aus der Untersuchungshaft zu entlassen ist. Bis wann? „Für bestimmte Entscheidungen braucht es Zeit“, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Schmitt. Nächsten Montag wird der Prozess fortgesetzt.
Seit vier Monaten steht der ehemalige Chefarzt des Bamberger Klinikums vor Gericht. Die angeblichen Opfer kamen bisher noch gar nicht zu Wort. Er bestreitet jeden Vorwurf. Alles habe er aus rein medizinischen Gründen gemacht. Bei den Frauen hat er sich lediglich dafür entschuldigt, ihr Selbstbestimmungsrecht nicht geachtet zu haben.