Bundeswehr vor Abzug aus Incirlik

Zwei Tornados der Bundeswehr stehen nachts auf der Air Base Incirlik, Türkei. Foto: Thorsten Weber/Bundeswehr/dpa Foto: red

Nach monatelangem Streit mit der Türkei über den Bundeswehreinsatz in Incirlik hat Außenminister Sigmar Gabriel den Abzug der deutschen Soldaten angekündigt.

 
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Ein letzter Einigungsversuch des SPD-Politikers in Ankara scheiterte am Montag. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu weigerte sich weiterhin, das von der Bundesregierung geforderte uneingeschränkte Besuchsrecht für Bundestagsabgeordnete bei den 260 Soldaten zu gewähren. Künftig soll sich die Truppe mit ihren „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug von Jordanien aus am Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen.

Nach Jordanien

„Wir sind auf eine Verlegung vorbereitet“, erklärte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Mit dem Flughafen Al-Azrak in Jordanien haben wir eine vergleichbare Alternative gefunden.“ Durch den angestrebten Umzug der Soldaten würden die Flugeinsätze im Kampf gegen den IS zeitweise unterbrochen.

Gabriel sagte bei einer Pressekonferenz mit Cavusoglu zum unmittelbar bevorstehenden Abzug: „Wir wollen das mit unseren türkischen Kollegen in großer Friedfertigkeit machen, ohne große Auseinandersetzungen.“ Keine der beiden Seiten wolle, dass die Entscheidung die Beziehungen zwischen beiden Ländern weiter verschlechtere. Die Beilegung des Streits durch einen Abzug biete die Möglichkeit, „in allen anderen Punkten weiterzuarbeiten, wo wir ein gemeinsames Interesse haben“.

Bundestag hat letztes Wort

Gabriel sprach sich nach dem Treffen mit Cavusoglu dafür aus, dass der Bundestag beim geplanten Abzug das letzte Wort hat. „Der Bundestag entscheidet, wo die Bundeswehr stationiert wird.“ Der Abzugsprozess werde „in dieser und in der kommenden Woche“ in Gang gesetzt. Mit einer Kabinettsentscheidung schon in der nächsten Sitzung am kommenden Mittwoch rechnet er aber eher nicht.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte hingegen an: „Wir werden das weitere Vorgehen jetzt am Mittwoch im Kabinett gemeinsam besprechen und entscheiden.“ Eine Zustimmung des Bundestags zum Abzug gilt als sicher.

Konsequent gegen PKK

Der türkische Außenminister sagte deutschen Abgeordneten zwar Besuche auf dem Nato-Stützpunkt in Konya zu, nicht aber auf der türkischen Basis in Incirlik. „Im Moment sind die Bedingungen für einen Besuch in Incirlik nicht gegeben“, sagte Cavusoglu. In Konya sind „Awacs“-Aufklärungsflugzeuge der Nato stationiert.

Cavusoglu kritisierte erneut, dass die Bundesrepublik nicht ausreichend gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgehe. Zugleich biete Deutschland Anhängern der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen Schutz, die die türkische Regierung für den Putschversuch vom Juli vergangenen Jahres verantwortlich macht. „Unsere Erwartung ist, dass unser Freund Deutschland kein Zufluchtsort für unsere Feinde sein darf.“

Gabriel sicherte Cavusoglu ein konsequentes Vorgehen der deutschen Behörden gegen die PKK zu. Er verwies darauf, dass es 4500 Verfahren gegen die Untergrundorganisation gebe und 90 Verurteilungen. Bei der Gülen-Bewegung sei man auf klare Beweise angewiesen.

Knackpunkt Yücel

Ein weiterer zentraler Streitpunkt zwischen der Türkei und Deutschland ist die Inhaftierung des „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel. Gabriel sagte am Montag mit Blick auf den Journalisten und auf andere Inhaftierte: „Ich habe ein paar Vorschläge gemacht, wie man vielleicht vorankommen kann bei diesen Fällen. Mein Kollege hat mir mitgeteilt, dass er diese Vorschläge weiterleiten wird.“

Cavusoglu sagte zum Fall Yücel: „In letzter Zeit gibt es einen Trend in Europa. Vor allem haben die Geheimdienste angefangen, Journalisten als Agenten in der Türkei einzusetzen. Warum? Damit sie, sollten sie geschnappt werden, mit Kampagnen wie „Journalisten verhaftet“ oder „Journalisten im Gefängnis“ Druck ausüben können.“

Cavusoglu äußerte Verständnis dafür, dass der Fall Yücel für Deutschland sehr wichtig sei. „Aber eines steht fest, und das weiß Deutschland nur zu gut: Bei den Anschuldigungen bezüglich Yücel geht es nicht um Journalismus, sondern um Terror.“

Gegen Yücel war Ende Februar in Istanbul wegen des Verdachts der Terrorpropaganda und der Volksverhetzung Untersuchungshaft verhängt worden. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan warf Yücel danach vor, ein Terrorist und ein deutscher Agent zu sein. Die Bundesregierung fordert die Freilassung des deutsch-türkischen Journalisten. Gabriel traf am Montag in Ankara auch Staatspräsident Erdogan. Der Minister kam außerdem mit einem Anwalt Yücels zusammen.

Asyl für Offiziere

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes begründete die türkische Regierung das jüngste Besuchverbot für deutsche Abgeordnete in Incirlik damit, dass Deutschland türkischen Offizieren Asyl gewährt hat. Ankara beschuldigt die Soldaten, Angehörige der Gülen-Bewegung zu sein.

Nach dem gescheiterten Einigungsversuch forderten deutsche Politiker parteiübergreifend rasche Konsequenzen. „Wenn es eine gleichwertige Alternative gibt, ist die Verlegung aus Incirlik die richtige Entscheidung“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), dem „Spiegel“. Die SPD-Fraktion hatte die Regierung schon vorige Woche aufgefordert, die Verlegung der deutschen Soldaten einzuleiten.

Der stellvertretende Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentsgruppe, der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu, forderte: „Der Abzug aus Incirlik, den Gabriel angekündigt hat, muss umgehend umgesetzt werden.“ Auch Linken-Chef Bernd Riexinger verlangte: „Die Bundeswehr muss nach diesem neuerlichen Affront der türkischen Regierung sofort aus Incirlik abgezogen werden.“

dpa

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