Wikileaks veröffentlicht Strafanzeige des Netzaktivisten Bruno Kramm Bruno Kramm fühlt sich ausgespäht

Von Peter Engelbrecht
Netzaktivist Bruno Kramm geht gegen das Ausspähen vor. Foto: Ute Eschenbacher/Archiv Foto: red

Auf der Enthüllungsplattform Wikileaks sind nun interne Dokumente mit regionalem Bezug aufgetaucht. Konkret geht es um eine Strafanzeige des Kulmbacher Piratenpolitikers Bruno Kramm aus 2013 gegen Telekommunikationsunternehmen wegen Ausspähens von Daten. Kramm warf fünf Firmen vor, ausgespähte Daten an den US-Geheimdienst NSA weitergegeben zu haben. Doch die Anzeige verlief im Sande.

 
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Wikileaks hatte Anfang Dezember rund 2400 Seiten interner und teils geheimer Unterlagen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages publiziert. Die Dokumente sollen die enge Kooperation zwischen der NSA und dem deutschen Auslandsgeheimdienst BND belegen – was mit dem Grundgesetz wohl nur schwer vereinbar wäre.

Kramm erstattete die Strafanzeige im Juli 2013 in Berlin, bearbeitet wurde sie von der Kriminalpolizei in Bayreuth. Er nannte damals als Wohnsitz Wirsberg-Cottenau im Landkreis Kulmbach. Der 49-Jährige zeigte das vermutete illegale Ausspähen von Daten im gesamten Jahr 2012 bis Mitte Juli 2013 an. Das war der Zeitraum, als Edward Snowden erstmals Ausspähinterna der NSA veröffentlichte. Die Tatörtlichkeit sei unbekannt. Als Hintergrund nannte Kramm die Beteiligung der Unternehmen bei den Überwachungsprogrammen Prism und Tempora. Bei Prism kooperieren große IT-Konzerne mit der NSA, in speziellen Abhörschnittstellen werden Daten abgegriffen. Mit Hilfe des britischen Nachrichtendienstes GCHQ werden im Rahmen des Tempora-Projekts an den Transatlantikverbindungen Daten abgezweigt und analysiert, Teile des kompletten Internetverkehrs sollen sogar für Tage zwischengespeichert werden, berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.  

"Täter konnte nicht ermittelt werden"

Die Staatsanwaltschaft Bayreuth stellte das Ermittlungsverfahren am 24. Juli 2013 ein, „weil der Täter bisher nicht ermittelt werden konnte.“ Aktenzeichen: 240 UJs 3102/13. Im Dezember wurde das Verfahren laut den auf Wikileaks veröffentlichten Akten an die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe abgegeben. Diese leitete im Sommer 2013 Vorermittlungen ein, nachdem Medien über das Anzapfen deutscher Netzknotenpunkte durch die NSA berichtet hatten. Zu einem Ermittlungsverfahren kam es nicht – angeblich aus Mangel an belastbarem Material. Kritiker vermuteten, der Generalbundesanwalt habe sich nicht mit dem mächtigen Verbündeten USA anlegen wollen.   

Telekom weist Vorwürfe zurück

Kramm hatte unter anderem die Deutsche Telekom AG mit Sitz in Bonn wegen der angeblichen Weitergabe von Telekommunikationsdaten angezeigt. Auf Anfrage unserer Zeitung wies das Unternehmen den Vorwurf zurück: „Es gab und gibt keinerlei Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten – auch nicht mit der NSA“, sagte Pressesprecher Philipp Blank. Die mögliche Zusammenarbeit des BND mit der NSA „war uns nichts bekannt“.  Wie alle anderen Telekommunikationsnetzbetreiber in Deutschland sei auch die Telekom zur Zusammenarbeit mit dem BND verpflichtet. Das ergebe sich aus dem BND-Gesetz, dem G-10-Gesetz sowie dem Telekommunikationsgesetz. „Wir halten uns dabei streng an die rechtlichen Grundlagen“, versicherte Blank. 

Bruno Kramm lobt Wikileaks

Ihn persönlich störe es nicht, dass Wikileaks seine Strafanzeige und zugehörigen Schriftverkehr veröffentlicht habe, sagte Kramm. Er lebte lange in Bayreuth, inzwischen wohnt er in Berlin. Transparenz zu schaffen, wie Wikileaks es tue, sei sehr wichtig. Durch seine Tätigkeit als Netzaktivist und Musiker sei er eine Person der Öffentlichkeit, seine persönlichen Daten könnten im Internet ohnehin ohne großen Aufwand herausgefunden werden. Kritisch seien die Veröffentlichungen hingegen, wenn dadurch Menschen in Diktaturen in die Gefahr einer Verfolgung geraten und um ihr Leben fürchten müssten. Hier seien Schwärzungen des Namens und persönlicher Daten angebracht. Kramm hatte erst durch den Anruf unserer Zeitung davon erfahren, dass Wikileaks die Unterlagen veröffentlicht hatte.

Der frühere Wirsberger wollte nach eigenen Angaben mit seiner Strafanzeige dazu beitragen, das illegale Tun aufzuklären. Er nannte es skandalös, dass alle entsprechenden Strafanzeigen im Sande verlaufen seien. „Wir haben keine Kontrolle unserer Geheimdienste und darüber, was an Daten in die USA rüberschwappt“, kommentierte Kramm. „Das Problem ist, dass staatliche Organisationen per Gesetz die Möglichkeit haben, alle Telekommunikationsdaten abzuschöpfen.“

Auch Rechtsanwalt erstattet Anzeige

Auch Rechtsanwalt Marcus Dinglreiter aus Burgkunstadt (Landkreis Lichtenfels) hatte im Zuge des NSA-Skandals im Juli 2013 Strafanzeige gegen Unbekannt bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Coburg gestellt. Dinglreiter begründete sein Vorgehen wie folgt: Er sehe in den Szenarien einer Totalüberwachung durch Geheimdienste "eine unterträgliche Bedrohung für meine eigene Privatheit, die Privatheit meiner familiären und sozialen Beziehungen sowie die Vertraulichkeit meiner anwaltlichen Korrespondenz. Diese sind durch unsere Verfassung garantiert und ich werde sie mit all meiner Kraft und Überzeugung verteidigen." Aktenzeichen 118 UJs 2671/13. Die Staatsanwaltschaft hatte der Strafanzeige zunächst "keine Folge gegeben", da "bloße Vermutungen" es nicht rechtfertigten, jemandem eine Tat zur Last zu legen. Nach einer erfolgreichen sogenannten Ermittlungserzwingungsklage Dinglreiters kam es dann doch zu einem Ermittlungsverfahren. Dieses sei noch 2013 an die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe abgegeben worden, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit. Offenbar verlief auch dieses Verfahren im Sande. Dinglreiter befindet sich derzeit im Urlaub, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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