Brexit: Das war's, Auslandsstudium

Von Christophe Braun
 Foto: red

Ich habe in Großbritannien studiert, wie Tausende Deutsche. Das war möglich, weil wir als EU-Bürger geringere Studiengebühren zahlen mussten. Nach dem Brexit könnte diese Regelung fallen. Die Folge: Ein Studium in Großbritannien würde zum Luxusgut. Damit gingen nicht nur Bildungschancen verloren.

 
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Heute vor viereinhalb Jahren saß ich in einer Runde mit einem Italiener und einer Schwedin und habe über den Philosophen Ludwig Wittgenstein gestritten. Wir waren Masterstudenten an der kleinen Universität von St Andrews in Schottland. Von Wittgenstein verstanden wir nicht viel – er gilt als furchtbar kryptisch. Aber etwas anderes haben wir begriffen: Wir alle waren fremd in Schottland, aber zu Hause in Europa. Der kettenrauchende Italiener mit seiner quasi-religiösen Verehrung des Filmemachers Jean-Luc Godard. Die balletttanzende Schwedin. Und ich, der tagein, tagaus in ausgelatschten Schuhen endlose Runden durch die Dünen lief. Wir wären einander nie über den Weg gelaufen, hätte es uns nicht hierher verschlagen. In dieses Städtchen im Südosten Schottlands, wo es einen Friseur gab, der zu jedem Haarschnitt einen Whisky ausschenkte. Wo sich die Nebelbänke in Sekundenschnelle über die Straßen legten. Wo man stundenlang im Bibliothekscafé sitzen und über den verwirrensten und genialsten Denker des 20. Jahrhunderts streiten konnte.

Wie praktisch alle britischen Universitäten erhebt St Andrews Studiengebühren. Für Ausländer sind die hoch: Hier kommt schnell der Gegenwert einer Mittelklasse-Limousine zusammen. Pro Jahr. Keiner von uns hätte das bezahlen können; die meisten konnten sich das Studium nur durch Stipendien leisten. Dass wir trotzdem hier sitzen und über Wittgenstein streiten konnten, verdankten wir der EU: Ausländer, die aus EU-Staaten kamen, wurden begünstigt. Sie zahlten die „home fees“, die deutlich geringer waren als die Gebühren für Ausländer, die aus Nicht-EU-Staaten kamen. Schätzungen des Akademischen Auslandsdienstes zufolge verhelfen diese „home fees“, zusammen mit dem Erasmus-Programm für kürzere Austauschaufenthalte, jährlich 4000 bis 5000 deutschen Studenten zu einem Aufenthalt auf den Inseln. Mit dem Brexit steht das auf der Kippe.

Es wäre schade. Nicht wegen der Monologe des Godard-Fans; nicht wegen der Ballettgeschichten; nicht wegen der Laufstrecken. Sondern, weil künftige Studenten dieses Gedankens beraubt werden:

Ich mag hier fremd sein, aber ich bin zuhause in Europa.