Brauchtum "zwischen den Jahren"

Von Norbert Heimbeck
Von den vielen Bräuchen aus den Raunächten wird vor allem das Bleigießen heute noch gerne praktiziert. Foto: Marlies Stegbauer/Archiv Foto: red

Wenn Frau Holle und der germanische Gott Donar aneinandergeraten, wenn die Tage fast so finster sind wie die Nächte, dann ist die Zeit „zwischen den Jahren“ gekommen. Zwischen Weihnachten und Dreikönig sind die Menschen ein wenig aus der Zeit gefallen, suchen Besinnung und Stille. Zugleich aber wird gefeiert, was das Zeug hält. Heute beginnen die sogenannten Raunächte.

 
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Der Name soll vom Wort Rauch kommen, denn in alter Zeit verbrannten die Menschen in der Oberpfalz und in Oberfranken Kräuter und gingen mit der Räucherschale durchs Haus, um böse Geister zu vertreiben. Noch heute wird in katholischen Gegenden an Dreikönig Weihrauch in kleinen Tüten verschenkt. Die zwölf Nächte von Weihnachten bis zum 6. Januar boten noch vor wenigen Jahrzehnten Raum für Aberglauben und heidnisches Brauchtum.

Keine Wäsche waschen

Einer, der dazu eifrig geforscht hat, ist der Heinersreuther Gemeindeheimatpfleger Heinz Friedel. So sollte es zum Beispiel Unheil heraufbeschwören,in dieser Zeit Wäsche zu waschen oder zu nähen. Man fürchtete, böse Geister würden die Wäsche stehlen und sie als Leichentuch für einen Hausbewohner benutzen. Ebenso wenig durfte man Wolle spinnen, den Garten düngen oder Brot backen. Es waren nur die allernötigsten Arbeiten in Haus und Hof erlaubt. Im Fichtelgebirge galt übrigens ein Verbot der Arbeit nach sieben Uhr abends – wer das missachtete, würde im neuen Jahr niemals rechtzeitig Feierabend machen können.

Wettervorhersage

Die zwölf Raunächte symbolisierten noch in der Generation unserer Großeltern die zwölf Monate des Jahres. So wie das Wetter an den zwölf Tagen war, so sollte es im neuen Jahr werden. Für Bauern hatten die Raunächte daher auch eine meteorologische Bedeutung. Überhaupt spielt das Wahrsagen in diesem Zeitraum eine wichtige Rolle. Eine noch heute vielfach geübte Tradition ist das Bleigießen in der Silvesternacht. Schon Thomas von Aquin erwähnte diesen Brauch im 13. Jahrhundert.

Andere Blicke in die Zukunft betrafen das Liebesleben. So warfen ledige junge Frauen ihren Pantoffel gegen die Türe, die Spitze des Schuhwerks zeigte die Richtung an, aus der der Bräutigam kommen werde.

Wann fängt das Jahr an?

Und woher kommt der Ausdruck „zwischen den Jahren“? Zurückzuführen ist der Begriff auf die Uneinigkeit um den Zeitpunkt der Geburt Jesu. Manche feierten den Jahreswechsel schon am 25. Dezember, andere erst am 6. Januar. Begegneten sich also Bewohner von Regionen mit unterschiedlicher Zeitrechnung, trafen sie sich zwischen den Jahren. Papst Gregor XIII. legte 1582 den 1. Januar als Neujahrsbeginn fest. Er ersetzte den Julianischen Kalender durch den Gregorianischen, den allerdings protestantische Regionen ablehnten. Erst Papst Innozenz XII. bekam das Zeiten-Chaos in den Griff und legte 1691 den 1. Januar als Jahresanfang fest.

Mysteriös - vom Feld ins All

Der Münchberger Heimatforscher und Historiker Adrian Roßner hat im „Siebenstern“ der Zeitschrift des Fichtelgebirgsvereins, Bräuche und Riten der Raunächte analysiert. Er zitiert Johann Wolfgang von Goethe, der schrieb: „Der Aberglaube gehört zum Wesen des Menschen“. In alten Sagen sei oft die Rede vom „Bilmesschneider“, ein Unhold in Hasengestalt, der die Getreideernte zerstörte. Wenn heutzutage ein Landwirt in seinen Feldern seltsame Muster finde – Roßner spielt auf die Kornkreise an – werde „die nächst höhere Ebene des Mysteriösen bemüht: das All. Für viele sei klar, dass die Kornkreise Machenschaften der Männchen vom Mars seien.

Für den Heiligen Abend war das „Neunerlei“ verbreitet: Zum Nachtessen wurden neun verschiedene Speisen serviert. Der Ofen, auf dem sie zubereitet wurden, musste mit dreierlei Holz befeuert werden. Wenn Reste übrig blieben, mussten sie um Mitternacht in die vier Himmelsrichtungen verstreut werden. Dann sollten die Windgeister die Zukunft erklären.

Auch wenn viele dieser Bräuche heute nicht nicht mehr befolgt werden: Spätestens zum Stärke antrinken am Dreikönigstag wird die Historie wieder lebendig.

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