Pro und Contra Pro und Contra Weltfrauentag

 Foto: red

Heute ist Weltfrauentag. Zum 105. Mal wird er gefeiert. Braucht's diese Institution noch - oder ist sie längst überholt? Zwei Kurier-Redakteurinnen diskutieren.

 
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Contra: Der Tag mit dem Haken

Von Heike Hampl

Der Internationale Frauentag hat zwei Probleme.

Erstens: Er führt dazu, dass die Welt in zwei Farben erscheint. Schwarz und Weiß. Mann und Frau. Diese Debatte ist falsch.

Diskriminierung verläuft nicht einfach zwischen den Geschlechtern. Soziale Schicht, Herkunft, sexuelle Orientierung – dieses Geflecht macht Diskriminierung zu einer komplizierten Angelegenheit. Und mit solchen setzen wir uns ungern auseinander. Schon gleich, wenn sich Unterschiede am Frauentag auf so offensichtliche Dinge wie Brüste und Penisse reduzieren lassen. Aber die Probleme einer Bayreuther Unternehmerin sind mit denen einer Muslima, die gegen den Willen ihrer Eltern einen Deutschen heiraten will, nicht vergleichbar. Die Mittelständlerin macht Karriere, derweil passen unterbezahlte Erzieherinnen in der Kita auf deren Nachwuchs auf, während am Abend eine illegal eingewanderte Frau das Büro putzt. Ist das die Gleichberechtigung, die wir wollen?

Zweitens: Der Weltfrauentag krankt daran, dass er Frauen in die Opferrolle drängt. Welche Zahlen recherchieren wir? Die Antworten der Redaktion: Frauenquote in Unternehmen, in der Politik. Zahl der Vergewaltigungen und der Zwangsverheiratungen. Frauen als nichts anderes als Opfer. In meiner Generation, ich bin 27 Jahre alt, gibt es viele starke Frauen. Frauen, die gelernt haben, aus der Opferrolle herauszutreten. So paradox es klingt: Viele dieser Frauen zweifeln an sich, weil sie ihre Ziele erreichen! Sie zweifeln an ihrer Weiblichkeit, weil nicht zuletzt die Medien ihnen ständig vorsagen: Frauen kommen nicht ohne Probleme durchs Leben.

Was die Frauen in Deutschland brauchen, ist Selbstbewusstsein. Für meine Recherche zu diesem Kommentar habe ich zwei Kolleginnen angesprochen: Mimi&Käthe. Die beiden berichten im Internet über Pornografie und  bezeichnen sich selbst als „Journalistinnen mit Porno-Fimmel". Die beiden stellen immer wieder die Selbstbestimmung der Frau in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Deswegen habe ich sie nach ihrer Meinung zum Weltfrauentag gefragt. Die Antwort: „Anstatt zu maulen, sollten wir unser Frausein feiern.“ Dazu empfehlen sie einen Blick hinüber zu den Männern. „Die wissen nämlich, wie das geht, sich selbst geil zu finden.“ Und das an 365 Tagen im Jahr.

heike.hampl@kurier.tmt.de

 

Pro: Ein Miststück, das wir brauchen

Von Kerstin Fritzsche

Ja, wir brauchen einen Internationalen Frauentag. 2015 noch genauso wie beim ersten Mal 1911. Leider. Ich fände es auch schöner, wenn es immer um Themen ginge und die Leistungen einzelner Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht. Die Debatten dazu nerven. Es nervt mich aber auch, dass man selbst in meiner Generation (30+) immer noch dafür angegriffen wird, wenn man auf einen Geschlechter-Unterschied aufmerksam macht. „Feministin“ ist in Deutschland oft genug noch ein Schimpfwort. Oder zumindest für den Betitelnden eine negativ geprägte Erklärung für das Recht einer Frau, eine eigene Meinung zu haben und diese auch zu äußern. „Emanze“ ist das andere.

In Schweden, das sehr viele weitergehende Regelungen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau hat, bezeichnen sich Männer meiner Generation selbst und selbstverständlich als „Feministen“. In Deutschland gibt es höchstens „Frauenversteher“ unter den Männern. Etwa in der eigenen Berufsgruppe. Da wirbt doch just in dieser Woche ein Branchendienst Frauen mit offenem Sexismus in der Job-Anzeige: „Kann man sich bei XX hochschlafen? Finde es heraus! Wir suchen eine Hauptstadt-Korrespondentin mit sinnlicher Schreibe und Lust auf Medien-Partys.“ Dass sich dann Kolleginnen beschwerten, weil sie das nicht witzig fanden, darüber wiederum beschwerten sich noch viel mehr Männer.

Ebenfalls in dieser Woche ließ sich YouTube von einem indischen Gericht zwingen, eine BBC-Reportage über Massenvergewaltigungen in Indien von der Plattform zu nehmen. Selbst Aufklärung über Verbrechen an Frauen wird also behindert. Jeder weiß, dass Vergewaltigung auch im Krieg ein riesiges Druckmittel ist. Mit Frauenhandel wird jährlich ein milliardenschweres Geschäft gemacht. Die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen passiert alltäglich. Und weil das so ist, ist es leider auch im Journalismus nur selten einfach mal so Thema, von ausgereiftem Lobbyismus für Frauenrechte mal ganz zu schweigen.

Dunja Hayali, ZDF-Moderatorin und Unterstützerin des Vereins „Pro Quote“ für mehr Führungsfrauen in den Medien, sagte mal in Bezug auf die Quote, diese sei ein Miststück, aber wenn es nicht anders geht, wenn sich kaum einer an Artikel 3 des Grundgesetzes hält, dann müsse sie halt übergangsweise einspringen. So verhält es sich auch mit einem Frauentag. Er ist ein Miststück, aber noch brauchen wir ihn.

kerstin.fritzsche@kurier.tmt.de

Hinweis: Dieser Text erschien erstmals zum Weltfrauentag 2015.

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