Schöffenbericht verurteilt 35-Jährigen zu mehr als zwei Jahren Haft – Sein Handy wurde ihm zum Verhängnis Brandstifter soll ins Gefängnis

Von Heike Hampl
Ein 35-Jähriger soll nun ins Gefängnis, weil er vor zehn Monaten einen Brand im Hummeltal gelegt haben soll. Symbolbild: dpa Foto: red

Der Verteidiger nennt es Gerüchte. Die Richterin nennt es Indizien. Ein 35-jähriger Mann ist am Donnerstag vom Schöffengericht in Bayreuth zu zwei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden. Er soll vor zehn Monaten einen Brand in einem Geräteschuppen in Hummeltal gelegt haben. Beweise dafür gibt es kaum.

 
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Rechtsanwalt Maximilian Glabasnia hält nicht einfach nur ein Plädoyer. Er redet sich vielmehr in Rage. „Das kann doch nicht sein“, ruft er Richterin Kerstin Kayser entgegen. „Wir leben in einem Rechtsstaat. Wir wissen alle nicht, was in jener Nacht passiert ist. Wir können niemanden verurteilen, dessen Schuld wir nicht nachweisen können.“

Streit am Abend

Was ist passiert in jener Nacht? Am 30. März um 4.40 Uhr brannte ein Gerätehaus in Hummeltal nieder. Die Wand des benachbarten Wohnhauses verrußte, die Feuerwehr hatte zu tun, dass der Brand nicht übergriff. Eine Frau musste aus dem Wohnhaus gerettet werden. Mit Glück entstand nur Sachschaden in Höhe von 25 000 bis 40 000 Euro. Die Anklage der Staatsanwaltschaft: Der Angeklagte soll den Brand gelegt haben. Aus Rache. Seine Ex-Freundin lebt in Hummeltal, auch ihre Eltern und ein gemeinsames Kind. Oft gibt es Streit um das Sorgerecht. Der Angeklagte sei aufbrausend, sagen Zeugen. Streit zwischen ihm und seiner Ex-Freundin sei Routine. Auch am Abend vor dem Brand sollen beide gestritten haben. Weil die Ex-Freundin das Kind zu ihren Eltern gab, um auf Kneipentour zu gehen.

Schlampig ermittelt?

Der Angeklagte soll einen Holzstoß angezündet haben. In dem Schuppen hätten sich laut Zeugenaussagen auch Kanister mit Benzin befunden – daher der rasche und große Brand. Ein Brandermittler ist schon am frühen Morgen vor Ort. Auch er sitzt als Zeuge vor der Richterin. Verteidiger Glabasnia unterstellt ihm schlampige Ermittlungen. Der Beamte hatte den Schutt nicht auf Brandbeschleuniger untersucht. „Es gab die Aussagen der Zeugen, dass da Kanister drin waren“, sagt der Zeuge vor Gericht. Außerdem habe er Brandbeschleuniger gerochen. „Wir können uns hier doch nicht auf Ihren Geruchssinn verlassen“, kommentiert der Verteidiger.

Technischer Defekt?

Seine Theorie: Wäre der Schutt untersucht worden, und hätte ein Gutachter festgestellt, dass kein Brandbeschleuniger im Spiel sei, dann hätten die Ermittler in eine völlig andere Richtung gedacht – hin nämlich zu einem technischen Defekt. Die Elektrik im abgebrannten Gerätehaus sei nie ausreichend untersucht worden, sagt der Verteidiger. Richterin Kayser schaut sich lange an, wie der Verteidiger den Kripo-Beamten zerlegt. Dann sagt sie: „Es wird Zeit, dass das Gericht wieder die Oberhand in diesem Saal erlangt.“

Am ersten Verhandlungstag am Dienstag hatten die Zeugen vor allem Vages ausgesagt (wir berichteten). Das änderte sich am Donnerstag nicht. Nur das Auto des Täters will jemand in der Nähe des Tatortes gesehen haben. Doch der Angeklagte macht einen Fehler. Er behauptet, sich in der Brandnacht im Bett in Bamberg befunden zu haben, wo er mittlerweile lebt. Eine Lüge.

Funkzelle reicht 15 Kilometer

Die Auswertung der Funkzelle, also der Handydaten, in Hummeltal beweist: Der Angeklagte hat sich bis in die Morgenstunden hinein um Hummeltal aufgehalten. Daran besteht kein Zweifel. Die Funkzelle könne einen Kreis von 15 Kilometer umfassen, sagt der Kripo-Beamte. Der Angeklagte hätte bei einer Geliebten sein können, im Wirtshaus, bei den Eltern, argumentiert der Verteidiger. Aber der Angeklagte hat keine plausible Erklärung dafür, wo er war.

Wer soll es gewesen sein, wenn nicht der Angeklagte? Die Zeugen scheinen sich sicher zu sein. Der Verteidiger nicht. Glabasnia zählt auf, wer alles ein Motiv haben könnte:

Die Ex-Freundin: Sie kenne den Angeklagten gut. Sie wisse, er ist vorbestraft und aufbrausend. Viele würden das bestätigen. Sie soll geäußert haben, der Angeklagte „gehöre verräumt“. Träumte sie vom Ende des Sorgerechtsstreits? Indem sie den Kindsvater hinter Gitter bringt, fragt Glabasnia.

Die Eltern der Ex-Freundin: Sie kümmern sich um das gemeinsame Kind. Die Tochter ist alkoholkrank. Vielleicht fürchten sie, das Enkelkind zu verlieren, weil es ins Heim kommen könnte. „Kennen wir die Abgründe der menschlichen Seele? Wissen wir, wie tief die Liebe zu einem Enkelkind gehen kann?“, fragt der Verteidiger.

Der „Liebhaber“ der Ex: Mit ihm war die Ex-Freundin in der Tatnacht in der Kneipe. Er gibt ihr ein Alibi, sagt, sie habe in dieser Nacht bei ihm geschlafen. Der Verteidiger unterstellt daraufhin ein sexuelles Verhältnis. „Vielleicht wollte er ihr imponieren, vielleicht wollte er den Angeklagten ihr zu Liebe aus dem Weg schaffen?“

Zu viele offene Fragen, sagt der Verteidiger. Er verlangt Freispruch. Doch das Schöffengericht entscheidet anders: zwei Jahre und vier Monate Haft. Zwei Monate sind dafür, dass der Angeklagte die Ex-Freundin bedroht hat.

Ein aufbrausender, emotionaler Angeklagter mit Motiv und ohne Alibi. Sein Auto wurde gesehen. „Diese Indizien reichen uns als Indizienkette aus“, sagt Richterin Kayser zu dem Urteil. Dazu seine Lüge, er habe sich in Bamberg im Bett befunden.

Auch an der Brandstiftung zweifelt das Gericht nicht, es vertraut den ermittelnden Beamten. „Ihr Versuch, den Brandermittler in die Nähe der Falschaussage zu bringen, ist falsch“, sagt Kayser mit Blick auf den Verteidiger.

Ende des Prozesses. Der Angeklagte dreht sich zu den Zeugen und Zuhörern um, die hinten im Gerichtssaal sitzen. Er ruft wütend: „Jetzt habt ihr endlich, was ihr immer wolltet!“

Gegen das Urteil kann der 35-Jährige Berufung oder Revision einlegen.