Birken: Angst vor der Verdichtung

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Nachverdichtung, wie es im Fachjargon der Baubehörden heißt, sorgt erneut für Ärger im Stadtteil Birken. Nach dem Zoff am Eichendorffring machen jetzt Anwohner mobil gegen einen Neubau an der Klopstockstraße. Der Bauverein Bayreuth will ein marodes Vier-Familien-Haus wegreißen und einen Wohnriegel mit der dreifachen Wohnungszahl dort bauen. Die Anwohner nennen das: "Vernichtung durch Verdichtung."

 
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Diesen Teil in der Birken oberhalb des Eichendorffrings bestimmen Mehrfamilienhäuser. An der Klopstockstraße steht das Haus mit der Nummer 2 seit längerem leer. Teilweise sind die Fenster verbrettert, Risse ziehen sich durch die Fassade. Gleich in der Nachbarschaft - auf der gleichen Grünfläche - sind Bauvereins-Häuser saniert worden. Modern und freundlich gestrichen, rote Verblendungen der Balkone. Zwischen den Häusern: Viel Grün, viele Bäume, eine üppige Buchenhecke. "Das dürfte alles verschwinden", sagt der Diplom-Geograf Reinhard Hutzelmann, der in der Nachbarschaft wohnt.

Massiver Baukörper, der die Luftschneise blockiert

Hutzelmann und Veit Dittmar, der mit seiner Mutter eines der Reihenhäuser gleich in der Nähe der abrissreifen Nummer 2 bewohnt, skizzieren, was der Bauverein bauen will: Ein Gebäudekomplex, "der bis auf zweieinhalb Meter an den Gehsteig heranrücken soll", sagt Hutzelmann. "Vom benachbarten Gebäude ist der Riegel nur sieben Meter entfernt." Hinter dem Haus, in Richtung Friedenskirche gesehen, soll eine Einfahrt geschaffen werden zu einem Parkplatz mit 18 Stellplätzen. "Die Seite, wo die Schlafzimmer sein werden." Dittmar und Hutzelmann fürchten nicht nur, dass die Mehrzahl der großen Bäume abgeholzt werden. Sie sagen auch: Durch den massiven Baukörper werde die Frischluftzufuhr abgeschnitten. "Abends kommt die angenehm kühle Luft vom Röhrensee. Damit wird dann Schluss sein, wenn das so gebaut wird", sagt Hutzelmann.

Unterschriften "nur Formsache"

Was die beiden Anwohner, die innerhalb kurzer Zeit 50 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt haben, stört: Nach ihrer Ansicht seien die Nachbarn im Frühjahr vom Bauwerber, dem Bauverein, zum Teil überrumpelt worden. "Meiner Mutter, beispielsweise, wurde gesagt, es hätten sowieso schon alle unterschrieben", sagt Dittmar im Gespräch mit unserer Zeitung vor Ort. Die Unterschrift sei eh reine Formsache. Dittmars Mutter habe die Unterschrift zwar später zurückgezogen, die Nachbarn hätten sich jedoch gescheut, innerhalb der möglichen Frist gerichtlich gegen das Vorhaben Widerspruch einzulegen. Ein weiteres Problem aus Sicht der Gegner dieser Art der Bebauung: Der Bebauungsplan aus dem Jahr 1953 sei auf dem Verwaltungsweg geändert worden. Der Bauausschuss des Stadtrats habe das Vorhaben, an dem offenbar bereits seit dem vergangenen Jahr gearbeitet werde, nie auf den Tisch bekommen.

Bebauungsplanverfahren wäre besser gewesen

Rechtlich sei das möglich, sagt Hutzelmann. Aber: Aufgrund der Tatsache, dass das Bauvorhaben das Gesicht des Quartiers komplett verändere, hätte man zumindest die Nachbarn über eine Versammlung informieren können. "So wurde über die Köpfe der Anwohner hinweg entschieden", sagt Hutzelmann. Noch besser aber wäre es, ein Bebauungsplanverfahren für das Projekt anzustoßen. Die beiden Nachbarn sagen, sie hätten nichts gegen eine Nachverdichtung an der Stelle. Aber: Nicht in der Größe, nicht in einer "Art der Planung, die sich eher an den 70er Jahren orientiert", wie Hutzelmann sagt. "Heute holt man sich die lärmintensive Nutzung nicht mehr in die Grundstücke rein. Nachverdichtung "in sinnvoller Weise", sagt Hutzelmann, sei an vielen orten in Deutschland Thema. Aber: Experten wie der dieser Tage verstorbene Architekt Albert Speer jr. haben immer wieder darauf hingewiesen, dass "Planung ideenreich und nicht alleine durch die Investoren erfolgen dürfe und die planende Verwaltung auch von sich aus den Kontakt mit der Quartiersbevölkerung suchen sollte". So könne die Eigenart und Identität eines Wohnviertels erhalten bleiben.

Die Suche nach einem Kompromiss

Der Kompromiss, den man sich in der Klopstockstraße vorstellen kann: Verdoppelung statt Verdreifachung der Wohnungszahl und damit eine Reduzierung des Baukörpers um ein Drittel. "Die Parkplätze kann man absenken und ein begrüntes Carport darüber setzen, das senkt das Geräuschpotenzial deutlich." Denn: So bliebe die Wohnqualität in dem Quartier erhalten, blieben "Werte wie Ruhe und Natur, Sauerstoff, natürliche Belüftung, Verdunstungskühle, etwas Ausblick auf nicht-betonierte Fläche" noch in Reichweite, wie Dittmar in einem Schreiben an die Mitglieder des Stadtrats formuliert hatte. Eine Reaktion auf das Schreiben: Habe es nicht gegeben. "In der Stadt ist kein Interesse für die Sorgen der Anwohner da. Man geht auf die Anwohner nicht zu", sagt Hutzelmann.

Das sagen Bauverein und Stadtverwaltung

Die Chefin des Bauvereins, Julia Fick, kennt die Unterschriftenliste und die Argumente der Gegner einer Bebauung der Neubebauung der Fläche. "Das haben wir zur Kenntnis genommen." Allerdings sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung: Kleiner bauen geht nicht. "Die Baukosten steigen, deshalb muss ein gewisses Volumen rauskommen. Wir als Genossenschaft bauen keine Eigentumswohnungen, wir sind nicht profitorientiert. Wir wollen unseren Kunden günstigen Wohnraum anbieten."

Julia Fick teilt die Sorgen der Anwohner nicht, dass sich das neue Gebäude nicht ins Umfeld passen würde: "Eigentlich fügt sich das ganz gut ein. Eine ähnliche Bebauung finden wir auch in der Birkenstraße und ums Eck herum." Bei einem "großen Klotz mit Flachdach hätte das anders ausgesehen", sagt Fick. Zudem habe man mit der geplanten Bebauung das mögliche Baufenster gar nicht ausgeschöpft: "Das Baurecht hätte sogar noch mehr hergegeben, wenn ich mich recht erinnere." Die Baugenossenschaft sei an dem Thema bereits längere Zeit dran, weil das Haus Klopstockstraße "baufällig ist" - eine Sanierung sei nicht möglich. "Wann wir tatsächlich bauen, steht aber noch nicht fest."

"Das Vorhaben (...) fügt sich ein"

Die Stadtverwaltung antwortet auf Anfrage, dass der Bauantrag „eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung“ gewesen sei. Deshalb sei der Bauausschuss nicht beteiligt worden. „Da es sich beim Bauvorhaben um eine städtebaulich vertretbare Nachverdichtung“ handel und „die Grundzüge der Planung nicht berührt werden“, sei es nicht erforderlich gewesen, den Bebauungsplan zu ändern. „Das Vorhaben fügt sich in seiner Kubatur, Baumasse und Verortung in die nähere Umgebung ein.“

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