Bezirk hilft wunde Kriegerseelen heilen

Von Peter Rauscher
Sie helfen, seelische Wunden ukrainischer Soldaten zu heilen: Gesundheitswissenschaftler Walter Rätzel-Kürzdörfer und Diplompsychologe Kai Uffmann vom Bezirk Oberfranken. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die schlimmen Bilder des Krieges lassen sie nicht mehr los. Rund 80 000 Soldaten und Veteranen in der Ukraine sind von den Erlebnissen und Eindrücken bei den Gefechten im umkämpften Osten des Landes schwer traumatisiert. Psychologen und Psychiater aus Bayreuth helfen ihren Kollegen in der Ukraine, die die seelischen Wunden der Soldaten heilen sollen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Schon 13 Jahre vor Kriegsbeginn in der Ostukraine im Jahr 2014 war zwischen dem Bezirk Oberfranken und der westukrainischen Region Transkarpatien eine Partnerschaft ins Leben gerufen worden. Teil davon war eine Kooperation auf der Ebene der psychiatrischen Kliniken, berichtet Bezirkssprecher Christian Porsch (hierzu Stichwort „Transkarpatien“).  Mit Kriegsbeginn und der deutlichen Zunahme von Soldaten mit sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen, die aus dem Kriegsgebiet in den Westen ihres Landes zurückkehrten, sei der Wunsch an die oberfränkischen Partner herangetragen worden, bei der Bewältigung zu helfen, sagt Gesundheitswissenschaftler Walter Rätzel-Kürzdörfer.

Ein Soldat hat nicht psychisch krank zu sein

Die Kräfte vor Ort seien überfordert gewesen. „Kirchen, Familien und die Nachbarschaft mussten bei der Bewältigung helfen.“ Seelische Leiden der Kämpfer würden tabuisiert. „Ein Soldat in der Ukraine hat nicht psychisch krank zu sein, das haben auch die Soldaten selber verinnerlicht“, sagt Rätzel-Kürzdörfer.

Die Folgen einer Verdrängung für die seelische und körperliche Gesundheit können gravierend sein. „Wer sich seine psychische Krankheit nicht eingesteht und keine professionelle Hilfe sucht, ist auf sich selbst und seine Familie gestellt“, sagt Diplom-Psychologe Kai Uffmann, der ebenso wie Rätzel-Kürzdörfer und der frühere Ärztliche Direktor Prof. Manfred Wolfersdorf an dem Hilfsprojekt des Bezirks mitwirkte. Uffmann: „Die Soldaten schleppen die Bilder des Krieges mit sich herum, sie sind so erschüttert, dass diese Bilder immer wieder kommen. Sie erleben Flashbacks, leiden unter Schlaflosigkeit, können aggressiv und reizbar werden, möglicherweise an Depression erkranken.“ Auch die sozialen Folgen sind schwerwiegend.

Von Familien durchgeschleppt

Die Traumatisierten hätten große Probleme, in ihren Alltag im Beruf und in der Familie zurückzukehren, sagt Rätzel-Kürzdörfer. In der Ukraine würden sie von ihren Familien versorgt und durchgeschleppt. Die ukrainischen Kollegen hätten überwiegend auf medikamentöse Behandlung gesetzt, die posttraumatische Belastungsstörung könne aber nicht in erster Linie mit Arzneien, sondern mit Psychotherapie behandelt werden, sagt Uffmann. Hier setzte die Hilfe aus Oberfranken an. Sieben Psychologen und Psychiater aus Transkarpatien kamen im Sommer nach Bayreuth. Sie hätten hier gelernt, wie sie Patienten Techniken zur Stabilisierung, Ablenkung und Distanzierung an die Hand geben könnten, damit diese auf eine spätere Traumabehandlung vorbereitet werden.

Der beste Freund starb in seinen Armen

Das Expertentrio aus Bayreuth reiste in die Ukraine, um eine Kooperation mit der Universität in der Regionshauptstadt Uschhorod anzubahnen, und erstellte ein 90-seitiges Modulhandbuch zur Behandlung von Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Dieses Handbuch wurde im November von einer Bezirksdelegation mit Bezirkstagspräsident Günther Denzler an der Spitze in der Ukraine übergeben. Dabei lernten die Bayreuther in einem Veteranenhospital auch selbst  Kriegsopfer kennen. „Keiner von denen sagt, dass er psychisch krank ist. Aber einer erzählte, wie sein bester Freund in seinen Armen gestorben ist“, berichtet Rätzel-Kürzdörfer.

Projekt soll weitergehen

Das vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit geförderte Bezirksprojekt soll in diesem Jahr fortgesetzt werden. Ziel sei, dass die Kranken lernen, mit ihren traumatischen Erlebnissen umzugehen und dass sie sich wieder in ihr soziales Umfeld eingliedern. Rätzel-Kürzdörfer wird im April als Lehrbeauftragter an der Universität Uschhorod sein Wissen weitergeben.

Trotz aller Hilfen werden die seelischen Nöte wohl nicht weniger werden. Der Krieg in der Ostukraine dauert trotz mehrerer Waffenstillstandsvereinbarungen an. Rätzel-Kürzdörfer: „Von den Kriegsveteranen, die wir im Hospital kennengelernt haben, erzählten uns einige Jüngere, sie müssten ihren Vertrag erfüllen und bald in den Krieg zurückkehren. Aber sie wollen nicht.“