Betrugsprozess mit Geisterjägern

Von Manfred Scherer
Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Die öffentlichen Sozialkassen sind für schwächere Mitbürger da. Wenn jemand diese Kassen unberechtigt anzapft, reagiert die Strafjustiz hart. Im Fall eines Kaufmanns aus dem westlichen Landkreis droht sogar Gefängnis. Hat er seine Partnerin zum Sozialbetrug angestiftet?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Vor Gericht wehrt sich der Mann, und das Schöffengericht muss sich mit schmutziger Wäsche aus einer gescheiterten Beziehung befassen – sogar mit Geisterjägern aus der Schweiz, die im Landkreis Bayreuth ans Werk gegangen sein sollen.

Angeklagt ist ein 46-Jähriger, dem die Staatsanwaltschaft siebenfachen, gewerbsmäßigen Betrug vorwirft. Zwischen Juni 2013 bis November 2015 sollen er und seine Lebenspartnerin vom Jobcenter für den Landkreis insgesamt rund 33.000 Euro ergaunert haben.

Jobcenter-Kontrolleure finden Herrenschuhe

Das kam so: Die Lebenspartnerin, heute 41 Jahre alt, zog mit ihren beiden Kindern – eines davon ist ein Kind des Angeklagten – in eine Wohnung im westlichen Landkreis. Diese Wohnung mietete sie von der Mutter ihres damaligen Partners. Die Kosten für den Umzug in Höhe von etwa 1000 Euro zahlte das Jobcenter. Danach beantragte die Frau Arbeitslosengeld II (ALG II).

Der Anspruch auf das ALG II muss nach bestimmter Zeit mit einem Folgeantrag erneut begründet werden, auch deshalb, damit das Jobcenter die Berechtigung weiter begründet vorliegen hat. Das Jobcenter zweifelte aufgrund verschiedener Indizien an dieser Berechtigung. Der Verdacht: Die Frau lebte nicht allein mit ihren Kindern in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft, sondern zusammen mit ihrem Partner. Kontrolleure suchten die Frau zuhause auf und fanden ihren Verdacht bestätigt: Im Flut standen Herrenschuhe.

Bewährung für belastende Aussage

Gegen die Frau wurde ein Strafverfahren eingeleitet, das in einer Anklage zum Schöffengericht mündete. Bei ihrem Prozess im Januar 2017 legte sie ein Geständnis ab und belastete ihren Ex-Partner. Er sei quasi „Mastermind“ hinter dem Betrug gewesen. Er habe sie überredet, die Sozialkasse zu schröpfen, weil er damals geschäftlich gerade arg klamm gewesen sei. Er habe seine Mutter als Vermieterin und Strohfrau für die Wohnung vorgeschoben. Er habe die Idee gehabt, einen Umzugsunternehmer eine Quittung über die Zahlung von 1000 Euro Umzugskosten unterschreiben zu lassen und dann aber den Umzug selbst zu machen und die 1000 Euro von dem Umzugsunternehmer zurückzuerhalten.

Die Frau wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt – und sie bekam für ihr Geständnis und die belastende Aussage gegen ihren mutmaßlichen Mittäter Bewährung.

Im Hintergrund schwelt ein Sorgerechtsstreit

Gerade diese Bewährung ist für Rechtsanwalt Stephan Schultheis, den Verteidiger des 46-Jährigen, der Ansatzpunkt für seine Konfliktverteidigungsstrategie. Schultheis will beweisen, dass die 41-Jährige sich ihre Bewährung durch eine Falschbelastung ihres Ex-Partners „erkauft“ habe – und das erst, nachdem ihrem Anwalt in dem Prozess in einem sogenannten Rechtsgespräch für den Fall eines Geständnisses eine Bewährungsstrafe signalisiert worden sei.

Der Verteidiger nennt auch das Motiv: Die Ex seines Mandanten wolle das dem Vater zugesprochene Sorgerecht für das gemeinsame Kind über eine Verurteilung des 46-Jährigen zurückerkämpfen. Sollte der Mann für die gleichen Taten wie seine damalige Partner verurteilt werden, droht ihm eine ähnliche Strafe. Aber ohne Geständnis kommt eben auch keine Bewährung in Betracht. Sein Verteidiger sagte: „Das Risiko ist uns bewusst.“

„Fragen sie mal die vielen gehörnten Ehemänner“

Der angeklagte 46-Jährige selbst erklärte vor dem Schöffengericht: Ja, es habe eine Lebenspartnerschaft bestanden, er habe jedoch nichts davon mitbekommen, dass seine damalige Partnerin sich durch den Betrug am Jobcenter offenbar ein „Zubrot“ ergaunert habe. Er blieb bei dieser Aussage, obwohl der Vorsitzende Richter Torsten Meyer und auch Staatsanwalt Julius Kolb ihm vorhielten, dass es „lebensfremd“ sei, dass man es in einer immerhin mehrjährigen Beziehung nicht mitbekomme, wenn die Partnerin Arbeitslosengeld beziehe. Darauf antwortete Verteidiger Schultheis: „Lebensfremd“ sei eine Interpretationsfrage – man brauche „nur die vielen gehörnten Ehemänner fragen, die die Untreue ihrer Frau lange nicht merken.“

Die Hauptzeugin der Anklage, die Ex-Partnerin des Kaufmanns, blieb im Zeugenstand bei ihren Anschuldigungen. Sie bestätigte auch, dass sie vor dem Sozialgericht gegen die vollständige Rückzahlung der 33.000 Euro klagt: „Er hat von dem Betrug profitiert“, sagte sie über den Vater ihres Kindes, „er soll sich an der Rückzahlung beteiligen.“

Wann stand das Geständnis fest?

Sie berichtete aus ihrer gescheiterten Beziehung: Dass der Angeklagte schon eine Partnerin übers Ohr gehauen habe. Dass der Mann eine seltsame Persönlichkeit habe: Einerseits aggressiv, andererseits esoterisch – so habe er einmal Geisterjäger aus der Schweiz engagiert, die einen Fluch von der gemeinsamen Wohnung nehmen sollten, in der seine Liebe zu ihr sich langsam in Beziehungsproblemen versank.

Die Zeugin brachte aber auch ein möglicherweise belastendes Indiz mit: Es handelt sich um ihr schriftliches Geständnis, das sie schon vor ihrem Prozess ihrem Anwalt übergeben haben will. Falls das stimmt, bräche dem Verteidiger Schultheis eine tragende Säule seiner Verteidigung weg, denn: Dann wäre die „Ex“ seines Mandanten schon mit einer Geständnisabsicht zum Prozess gekommen – Richter und Staatsanwalt hätten sie nicht mit Bewährung locken müssen.

Nun will Verteidiger Schultheis dazu einen Kollegen vernehmen lassen: Der damalige Verteidiger der Hauptzeugin soll sich dazu erklären, ob das Geständnis schon vor dem Prozess im Januar 2017 schriftlich vorgelegen habe. Der Prozess wird fortgesetzt.

Bilder