Beschlüsse unter amerikanischer Flagge

Von Thorsten Gütling
Forschen an der jüdischen Vergangenheit in Aufseß: (von links) Herta und Peter Friedmann und Dietmar Stadter. Foto: Thorsten Gütling Foto: red

Wer in Aufseß einer Sitzung des Gemeinderates besucht, der sieht: Neben dem Wappen der Gemeinde ziert eine US-amerikanische Flagge den Sitzungssaal. Der Grund dafür liegt jetzt zwei Jahre zurück.

 
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Die Gemeinde Aufseß hatte einst eine große jüdische Gemeinde. Dietmar Stadter hat ihre Geschichte erforscht und kommt zu dem Ergebnis: Am meisten Juden lebten um 1840 in Aufseß, nämlich genau 105. Hundert Jahre später, im März 1939, waren es nur noch drei. Dazwischen lag die Machtergreifung der Nationalsozialisten - und die Flucht vieler Aufseßer Juden nach Amerika. 27 jüdische Familien sind damals ausgewandert, hat Stadter herausgefunden. Vor 15 Jahren kamen einige ihrer Nachfahren zum ersten Mal nach Aufseß zurück. "Seitdem kommen sie sporadisch", sagt Stadter. Die Besucher wollen sehen, wo ihre Vorfahren lebten. So wie Roger und Martha Fleischmann im Jahr 2014.

Historische Karten zeigen, wo die Ahnen gewohnt haben

Historische Karten, die Stadter gesammelt hat, zeigen, dass deren Vorfahren einst das Haus mit der Hausnummer 28, das sogenannte Schottenhaus, in Aufseß bewohnten. Und dass Hugo Fleischmann, der darin um 1920 noch lebte, als Viehhändler tätig war. Noch einmal 70 Jahre früher lebten die Bauern Isaak und Max Fleischmann in den Hausnummern 50 und 51, auch das ist verbrieft. Roger Fleischmann, der 2014 zur Ahnenforschung nach Aufseß kam, ist heute ein Politikberater des amerikanischen Präsidenten Barak Obama, erklärt Stadter. Seinen Aufenthalt in Aufseß sollte er mit einem Eintrag ins Goldene Buch der Gemeinde belegen. Zu dieser Gelegenheit ließ Bürgermeister Bäuerlein die amerikanische Flagge ins Sitzungszimmer hängen. Und er überreichte Martha Fleischmann darunter einen weiß-rot-blauen Blumenstrauß.

Seitdem hängt die Fahne dort. Weitere Nachfahren früherer Auswanderer wurden darunter empfangen. Stadter sagt: "Einigen ist erst hier bewusst geworden, was ihre Familien früher miteinander zu tun hatten."

Stammbäume für 14 Familien

Gemeinsam mit Peter und Herta Friedmann hat Stadter nicht nur die Chronik der Gemeinde verfasst. Er hat auch die Stammbäume der jüdischen Familien teils mehrere Jahrhunderte zurückverfolgt. Oft lieferten die Besucher aus den USA die noch fehlenden Stücke.

49 Sterne und eine Kamera

Und noch aus anderen Gründen ist die amerikanische Flagge im Aufseßer Sitzungssaal eine Kuriosität: Sie zeigt lediglich 49 statt 50 Sterne. Der Grund dafür ist das Alter der Flagge. Der 50. Stern für den 50. Bundesstaat Hawaii kam erst im Jahr 1959 dazu. Zu dem Zeitpunkt war die Flagge in Aufseß wohl schon im Umlauf. Bürgermeister Bäuerlein sagt, sie wurde schon damals bei regelmäßigen Treffen zwischen Bundeswehr und amerikanischen Streitkräften in Aufseß gehisst. Und: Sie wird offensichtlich von einer Kamera bewacht. Dabei handelt es sich aber um eine Attrappe. Angebracht im Zuge einer Krippenausstellung, die vor Jahren im Sitzungssaal stattfand. Danach wurde sie einfach vergessen.