Interview mit Aktienanalyst Bei Loewe geht's ums blanke Überleben

Von Roland Töpfer
Düstere Wolken über Loewe. Foto: dpa Foto: red

Ein Schutzschirmverfahren soll die Kronacher Loewe AG vor der Pleite retten. Das Unternehmen hat einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht Coburg gestellt. Kann Loewe damit das Ruder noch herumreißen? Der Kurier hat mit einem Aktienanalysten gesprochen.

 
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„Die Loewe AG und ihre Tochtergesellschaf Loewe Opta GmbH restrukturieren sich über ein Schutzschirmverfahren. Vorstand und Geschäftsführung haben heute beim zuständigen Amtsgericht Coburg einen entsprechenden Antrag gestellt", teilte das Unternehmen gestern mit. „Wie die gesamte Branche belastet die aktuelle Marktschwäche bei TV-Geräten auch unser Geschäft schwer", so Loewe-Chef Matthias Harsch. Das Verfahren schützt vor Zwangsvollstreckung und Insolvenzanträgen Dritter und kann helfen, neue Liquidität aufzubauen. Das Unternehmen wird weiter vom bestehenden Vorstand geführt.

Zahlen immer schlechter

Die Zahlen von Loewe wurden in den letzten Jahren immer schlechter, seit drei Jahren werden Verluste geschrieben. Der Umsatz brach binnen fünf Jahren von 374 auf 250 Millionen Euro ein, mit weiter stark fallender Tendenz. Bei nur noch 43,5 Millionen Umsatz im ersten Quartal 2013, ein Minus von 36 Prozent zum Vorjahr, wurden fast zehn Millionen Euro Verlust gemacht. Die Zahlen für das zweite Quartal, die auf der Hauptversammlung Ende Juli vorgelegt werden, dürften ebenfalls schlecht ausgefallen sein. Asiatische Hersteller wie Samsung, LG oder Panasonic machen Loewe mit ihren aggressiven Preisangeboten schwer zu schaffen. Die Fernseher der großen Hersteller kosten oft nur einen Bruchteil der Geräte aus Kronach, weshalb Loewe künftig deutlich günstigere Geräte anbieten will. Der Einstieg soll bei rund 800 Euro beginnen. Wegen der hohen Verluste musste Loewe erst kürzlich mitteilen, dass die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt ist.

Im Jahr 2004 lag der durchschnittliche Marktpreis für einen LCD-Fernseher bei 1271 Euro, bei Loewe waren es 2303 Euro. 2012 kosteten LCD-Geräte im Schnitt nur noch 488 Euro, bei Loewe 2061 Euro.

Geschäftsbetrieb wird fortgeführt

Der Geschäftsbetrieb am Standort Kronach wird uneingeschränkt fortgeführt, teilt das Unternehmen mit. Die rund 800 Beschäftigten würden unmittelbar über den Stand der Dinge und die geplanten Maßnahmen informiert. Die Loewe AG und die Loewe Opta GmbH seien nicht zahlungsunfähig, so dass damit die wichtigsten Voraussetzungen für ein Schutzschirmverfahren gegeben seien. Auch für die Aktionäre habe ein Schutzschirmverfahren entscheidende Vorteile, weil bei erfolgreicher Umsetzung ihre Anteile einen Wert behalten. „Es ist nach wie vor unser Ziel, Loewe gemeinsam mit strategischen Partnern und Investoren neu auszurichten", so Harsch.

Die Aktie brach in der Spitze um fast 30 Prozent ein, schoss am Mittag wieder hoch und lag am Nachmittag mit rund 1,80 Euro noch gut acht Prozent im Minus. In den letzten zwölf Monaten hat das Papier rund 50 Prozent an Wert verloren.

„Loewe bleibt auch unter dem Schutzschirm uneingeschränkt handlungsfähig", unterstreicht Rolf Rickmeyer, Restrukturierungs- und Finanzvorstand. „Und da wir weiterhin zahlungsfähig sind, können wir alle Kundenaufträge planmäßig erfüllen und auch unsere Lieferantenverbindlichkeiten begleichen, die während des Schutzschirmverfahrens entstehen."

Im Rahmen des Schutzschirmverfahrens werde Loewe gemeinsam mit den Gläubigern einen umfassenden Sanierungsplan entwickeln, heißt es weiter. Das bestehende Sanierungskonzept werde deutlich erweitert. Parallel dazu erfolge eine umfassende strategische Neuausrichtung durch eine radikale Überarbeitung der Wertschöpfungs- und Positionierungsstrategie. Harsch: „Synergien mit einem strategischen Partner bei Einkauf, Produktion, Entwicklung und Vertrieb werden es künftig ermöglichen, verstärkt Geräte auch im Einstiegsbereich der Premiummarke anzubieten." Damit entstünden neue Chancen über die wichtigsten Partner von Loewe im klassischen Fachhandel hinaus auch in den Flächenmärkten im In- und Ausland.

Keine konkreten Auskünfte

Zum Stand der Gespräche mit möglichen Investoren gibt es keine konkreten Auskünfte. Die Gespräche seien „Erfolg versprechend", sagt ein Insider, der nicht genannt werden will. Andere wollen wissen, dass Loewe-Chef Harsch einen strategischen Partner in China favorisiert. Der könne dann die Serienmodelle herstellen, während die teuren Edelgeräte weiter aus Kronach kämen. Dies könnte einen weiteren Abbau der Belegschaft erfordern. Konkrete Ergebnisse werden erst die Verhandlungen unter dem Schutzschirm bringen. „Man kann sich alles vorstellen", sagt der Insider.


Interview mit Aktienanalyst

Schafft Loewe die Rettung in letzter Minute? Was hat der Fernsehhersteller falsch gemacht? Wo könnte frisches Geld herkommen? Wir sprachen mit Carsten Müller, Geschäftsführer der Berliner FM Research und Herausgeber der Alpha Börsenbriefe, die auch Nebenwerte wie Loewe analysieren.

Was bringt ein Schutzschirmverfahren?
Carsten Müller: Loewe bekommt nun erst einmal drei Monate Zeit, um einen Restrukturierungsplan aufzustellen. Gleichzeitig kann man sich mit Gläubigern auf einen Zahlungsplan einigen. In der gesamten Zeit ist das Unternehmen vor Vollstreckungsmaßnahmen geschützt.

Letzte Rettung vor der Insolvenz?
Müller: Das Schutzschirmverfahren wurde 2012 eingeführt und sollte gerade das leisten: Angeschlagenen Unternehmen die Angst vor der Insolvenz nehmen und ihnen die letzte Chance einer Sanierung unter Eigenregie geben. Das trifft auch auf Loewe zu.

Schafft Loewe es?
Müller: Das ist zum aktuellen Zeitpunkt sehr ungewiss. Loewe hat seit Jahren eine operative Fehlentwicklung, die wahrscheinlich nicht in nur drei Monaten korrigiert werden kann. Aber es besteht die Hoffnung, dass der Vorstand die Zeit nutzen kann, um neue Partner oder Investoren zu finden. Außerdem können wichtige Weichen für eine Sanierung gestellt werden.

Wo kommt neues Geld her?
Müller: Loewe befindet sich schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach neuen Investoren. Der bisherige Großaktionär Sharp kann dabei kaum eine Hilfe sein, weil er selbst Probleme hat. Meine Vermutung: Am Ende könnten wohl eher Finanzinvestoren zuschlagen, um sich die nach wie vor hochwertige Technik zu sichern und zu versilbern. Für den Konzern wäre das allerdings keine sehr beruhigende Perspektive.

Was hat Loewe falsch gemacht?
Müller: Für Loewe wurde sprichwörtlich der Segen zum Fluch. Denn man trumpfte seit jeher mit einer ausgezeichneten und hochwertigen Technik auf. Da man aber vorrangig in Deutschland produziert, sind die TV-Geräte und Entertainment-Systeme schlicht zu teuer, um den Massenmarkt zu erreichen. Dieser wurde von anderen Firmen wie Samsung, Panasonic oder LG besetzt. Diese liefern ebenfalls immer höherwertige Technik zu deutlich billigeren Preisen ab. Das Resultat sehen wir jetzt.

Wie geht das Ganze aus?
Müller: In seiner jetzigen Struktur wird Loewe keine Zukunft haben. Denkbar wäre ein scharfes Gesundschrumpfen und dann als Nischen-Player im High-End-Bereich tätig werden. Wenn man dagegen weiterhin eher den Massenmarkt adressieren will, muss man ins Ausland, um günstiger zu produzieren. Doch dann ist man nur einer unter vielen.


Schutzschirmverfahren

Ein Schutzschirmverfahren ist die letzte Chance, das Ruder vor einer drohenden Insolvenz noch herumzureißen. Das Verfahren ist erst sein 1. März 2012 in Deutschland überhaupt möglich. Es gibt dem Unternehmen die Chance, sich mit seinen Gläubigern auf einen Sanierungsplan zu einigen, neue Investoren zu finden und neue Liquidität aufzubauen. Das Unternehmen hat in dieser Zeit Schutz vor Zwangsvollstreckung und Insolvenzanträgen Dritter und wird weiter vom bestehenden Vorstand geführt (Eigenverwaltung). Für die Löhne der Beschäftigten kommt die Bundesagentur für Arbeit auf. Voraussetzung für das Verfahren ist eine richterliche Entscheidung, im Falle von Loewe die des Amtsgerichts Coburg. Es wird geprüft, ob die Sanierung machbar und aussichtsreich ist und das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen noch nachkommen kann.

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