Mittlerweile nutzen ihn rund 300 Pilger pro Jahr, schätzt Thein. Einige von ihnen übernachten im ehemaligen Kinderzimmer seiner Familie. „Gastfreundschaft am Weg ist etwas Schönes“, sagt Thein. „Und wenn man alleine geht, ist man manchmal für ein Gespräch sehr dankbar.
Wen man nie wieder sieht, dem kann man leichter Geheimnisse erzählen
Denn die Möglichkeit, beim Gehen oder in Gesprächen sich selbst zu erkennen, sei einer der Hauptgründe, warum Menschen pilgern. „Man lernt, den eigenen Körper wieder wahrzunehmen, man beginnt aber auch, über seinen Lebensweg nachzudenken.“ Weil man wisse, dass man den Menschen auf dem Weg wohl nie mehr begegnen werde, könne man sich dem anderen öffnen. „Man ist bereit, Lebensthemen anzusprechen und Dinge zu erzählen, für die einen der Nachbar von nun an schräg angucken würde.“
Eigentlich sei der Jakobusweg dazu aber gar nicht notwendig, sagt Thein. „Nicht der Weg macht das Pilgern, sondern die Motivation. Wenn ich in der Hoffnung laufe, dass ich wieder ein bisschen zu mir finde, meinen Horizont öffne, vielleicht sogar eine Entscheidung treffe, ist das für mich Pilgern.“ Ob alleine oder in der Gruppe, auf dem Jakobusweg oder einem ganz normalen Spazierweg, das ist dem Vater des oberfränkischen Jakobuswegs dann völlig egal.
Pfarrer sucht Menschen, die Pilger aufnehmen wollen
Michael Thein sucht Menschen, die für wenig Geld oder umsonst Pilger bei sich übernachten lassen. Die Vermittlung läuft grundsätzlich über ihn. Interessierte können ihn unter Telefon 0171/7892277 erreichen. Außerdem bietet er einmal im Monat ein sogenanntes Samstagspilgern an. Weitere Informationen, auch zur Route, unter www.jakobus-oberfranken.de.
Pilger-FAQs
Was ist der Jakobsweg?
Ein Pilgerweg, der durch Nordspanien bis nach Santiago de Compostela im Westen Spaniens führt. Er hat vier Zubringer durch Frankreich, diese verzweigen sich weiter, mittlerweile bis nach Polen. Um sie vom eigentlichen Jakobsweg abzugrenzen, werden sie „Wege der Jakobspilger“ oder“ Jakobuswege“ genannt.
Woher kommt der Name?
Jakobus der Ältere war einer der zwölf Apostel. Nach Jesu Tod wurde er der Legende nach Spanien geschickt, um dort zu missionieren, blieb allerdings erfolglos. Nach seinem Tod wurde sein Leichnam mit dem Schiff nach Santiago de Compostela gebracht und dort begraben. Im Mittelalter wurde das Grab wiederentdeckt. Die Menschen begannen, dorthin zu pilgern. In der Neuzeit geriet diese Tradition fast in Vergessenheit, erst in den 1970er Jahren lebte sie wieder auf.
Woran erkenne ich den Jakobsweg?
Der Jakobsweg ist mit einer Muschel gekennzeichnet, die gleichzeitig die Pilgerströme nach Santiago de Compostela symbolisiert. Nebenwege wie der Jakobusweg Fichtelgebirge über Kirchenpingarten sind zusätzlich mit einem gelben Punkt markiert.
Ist pilgern konfessionsabhängig?
Nein. Im Gegensatz zu Wallfahrten, die meist rein katholisch sind, ist pilgern ökumenisch. Eine weitere Pilgerroute, die Via Francigenia, führt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus in Rom. Auch in anderen Religionen wird gepilgert, Muslime etwa pilgern unter anderem nach Mekka.
Wie viele Menschen pilgern auf dem Jakobsweg?
In Santiago de Compostela kamen 2015 rund 262 000 Pilger an, durch Bayreuth pilgern jährlich geschätzt 300 Menschen.
Was ist seit Sonntag neu?
Am Sonntag wurde Neudrossenfeld offiziell an den Jakobusweg angeschlossen. Allerdings liegt die Dreifaltigkeitskirche nicht auf der Route, sondern man pilgert von Bayreuth aus los und kommt auch wieder dort an. Die Dreifaltigkeitskirche ist eine ehemalige Jakobuskirche, die während der Reformation umbenannt wurde. Es gibt dort vier spätgotische Altartafeln zur Jakobslegende und eine lebensgroße, vergoldete Jakobsfigur. Die Idee, Neudrossenfeld an den Jakobusweg anzuschließen, hatte die Neudrossenfelderin Karla Fohrbeck, die bereits den Jean-Paul-Weg und den Rotmain-Auen-Weg erfunden hat.