Neudrossenfeld ist nun an den Jakobusweg angeschlossen – Pfarrer Michael Thein hat die Route durch die Region entwickelt Bayreuther lockt Pilger in die Region

Von Sarah Bernhard

Spätestens mit Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“ wurde Pilgern auf dem Jakobsweg zum Trend. Eine Zubringerroute führt mitten durch die Region. Geplant hat sie Pfarrer und Pilgerbegleiter Michael Thein aus Bayreuth – um die Zeit bis zur nächsten Pilgerreise zu überbrücken. Seit Sonntag ist auch Neudrossenfeld dabei.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Als der Vater des Oberfränkischen Jakobuswegs das erste Mal aufbricht, um zu pilgern, weiß er gar nicht, was er da tut. „Die Idee, eine Tour von Nürnberg nach Rothenburg zu machen, hat mich angesprochen, weil ich schon als Kind viel in der Natur war“, sagt Michael Thein. „Aber vom Jakobsweg wusste ich nichts. Nicht mal, dass es ihn gibt.“

Als er an diesem Pfingstmontagmorgen im Jahr 2000 seine Pilgergefährten kennenlernt, weiß der 61-Jährige auch noch nicht, dass diese Erfahrung sein Leben verändern wird. Denn erstmal steht die ganze Aktion auf der Kippe: Die Gruppenleiterinnen sind krank, wenn nicht spontan ein Teilnehmer die Leitung übernimmt, muss die Pilgerfahrt ausfallen. „Ich habe gesagt: ,Ihr könnt machen, was ihr wollt, ich gehe jetzt.‘ Also hat man mir einen Zettel mit Quartieren in die Hand gedrückt und es ging los.“ So wird Thein nicht nur zum Jakobsweg-Pilger, sondern auch zum Jakobsweg-Pilgerbegleiter.

"Zwölf Monate zu warten, das ist nicht auszuhalten"

Jedes Jahr laufen Thein und seine Gruppe nun eine weitere Etappe. Bis sie 2010 am Ziel des Pilgerwegs ankommen: am Grab des Apostels Jakobus im spanischen Santiago de Compostela. „Es ist eine Art positive Sucht“, sagt der Pfarrer, der lange in der Saas tätig war. Eine Sucht, die weit über ein paar Tage Wandern pro Jahr hinausgeht. „Zwölf Monate zu warten, bis es weitergeht, das ist nicht auszuhalten.“

Also beginnt sich Thein zu fragen, ob man nicht die Region an das schon bestehende Netz anbinden könnte. Denn damals enden die Zubringerwege nach Santiago in Nürnberg. Er fragt bei den Wandervereinen an, doch die sagen ihm, dass sie zu wenige Mitglieder haben, um neue Wege zu schaffen. Also konzentriert sich Thein auf die bestehenden. Möglichst gerade müssen sie sein, damit die Pilger schnell weiterkommen. Alle 20 Kilometer muss es eine günstige Übernachtungsmöglichkeit geben. Und am besten noch interessante Kirchen am Wegesrand.

300 Pilger kommen jährlich durch Bayreuth

Die Jakobuskirche in Neudrossenfeld, die seit der Reformation Dreifaltigkeitskirche heißt, will Thein – auf Anraten der Neudrossenfelderin Karla Fohrbeck – eigentlich unbedingt dabeihaben. Doch es gibt keine günstig gelegenen Wanderwege dorthin. Also muss Thein ausweichen. Er entwickelt eine Route, die von Hof über Bayreuth, Creußen und Pegnitz nach Nürnberg führt, testet sie mit dem Fahrrad und mit einer Pilgergruppe. Und stellt fest: Der Weg ist gut. 2009 wird er eingeweiht.

Mittlerweile nutzen ihn rund 300 Pilger pro Jahr, schätzt Thein. Einige von ihnen übernachten im ehemaligen Kinderzimmer seiner Familie. „Gastfreundschaft am Weg ist etwas Schönes“, sagt Thein. „Und wenn man alleine geht, ist man manchmal für ein Gespräch sehr dankbar.

Wen man nie wieder sieht, dem kann man leichter Geheimnisse erzählen

Denn die Möglichkeit, beim Gehen oder in Gesprächen sich selbst zu erkennen, sei einer der Hauptgründe, warum Menschen pilgern. „Man lernt, den eigenen Körper wieder wahrzunehmen, man beginnt aber auch, über seinen Lebensweg nachzudenken.“ Weil man wisse, dass man den Menschen auf dem Weg wohl nie mehr begegnen werde, könne man sich dem anderen öffnen. „Man ist bereit, Lebensthemen anzusprechen und Dinge zu erzählen, für die einen der Nachbar von nun an schräg angucken würde.“

Eigentlich sei der Jakobusweg dazu aber gar nicht notwendig, sagt Thein. „Nicht der Weg macht das Pilgern, sondern die Motivation. Wenn ich in der Hoffnung laufe, dass ich wieder ein bisschen zu mir finde, meinen Horizont öffne, vielleicht sogar eine Entscheidung treffe, ist das für mich Pilgern.“ Ob alleine oder in der Gruppe, auf dem Jakobusweg oder einem ganz normalen Spazierweg, das ist dem Vater des oberfränkischen Jakobuswegs dann völlig egal.  

Pfarrer sucht Menschen, die Pilger aufnehmen wollen

Michael Thein sucht Menschen, die für wenig Geld oder umsonst Pilger bei sich übernachten lassen. Die Vermittlung läuft grundsätzlich über ihn. Interessierte können ihn unter Telefon 0171/7892277 erreichen.  Außerdem bietet er einmal im Monat ein sogenanntes Samstagspilgern an. Weitere Informationen, auch zur Route, unter www.jakobus-oberfranken.de.

Pilger-FAQs

Was ist der Jakobsweg?

Ein Pilgerweg, der durch Nordspanien bis nach Santiago de Compostela im Westen Spaniens führt. Er hat vier Zubringer durch Frankreich, diese verzweigen sich weiter, mittlerweile bis nach Polen. Um sie vom eigentlichen Jakobsweg abzugrenzen, werden sie „Wege der Jakobspilger“ oder“ Jakobuswege“ genannt.

Woher kommt der Name?

Jakobus der Ältere war einer der zwölf Apostel. Nach Jesu Tod wurde er der Legende nach Spanien geschickt, um dort zu missionieren, blieb allerdings erfolglos. Nach seinem Tod wurde sein Leichnam mit dem Schiff nach Santiago de Compostela gebracht und dort begraben. Im Mittelalter wurde das Grab wiederentdeckt. Die Menschen begannen, dorthin zu pilgern. In der Neuzeit geriet diese Tradition fast in Vergessenheit, erst in den 1970er Jahren lebte sie wieder auf.

Woran erkenne ich den Jakobsweg?

Der Jakobsweg ist mit einer Muschel gekennzeichnet, die gleichzeitig die Pilgerströme nach Santiago de Compostela symbolisiert. Nebenwege wie der Jakobusweg Fichtelgebirge über Kirchenpingarten sind zusätzlich mit einem gelben Punkt markiert.

Ist pilgern konfessionsabhängig?

Nein. Im Gegensatz zu Wallfahrten, die meist rein katholisch sind, ist pilgern ökumenisch. Eine weitere Pilgerroute, die Via Francigenia, führt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus in Rom.  Auch in anderen Religionen wird gepilgert,  Muslime etwa pilgern unter anderem nach Mekka.

Wie viele Menschen pilgern auf dem Jakobsweg?

In Santiago de Compostela kamen 2015 rund 262 000 Pilger an, durch Bayreuth pilgern jährlich geschätzt 300 Menschen.  

Was ist seit Sonntag neu?

Am Sonntag wurde Neudrossenfeld offiziell an den Jakobusweg angeschlossen. Allerdings liegt die Dreifaltigkeitskirche nicht auf der Route, sondern man pilgert von Bayreuth aus los und kommt auch wieder dort an. Die Dreifaltigkeitskirche ist eine ehemalige Jakobuskirche, die während der Reformation umbenannt wurde. Es gibt dort vier spätgotische Altartafeln zur Jakobslegende und eine lebensgroße, vergoldete Jakobsfigur. Die Idee, Neudrossenfeld an den Jakobusweg anzuschließen, hatte die Neudrossenfelderin Karla Fohrbeck, die bereits den Jean-Paul-Weg  und den Rotmain-Auen-Weg erfunden hat.

Bilder