Bayreuther gewinnt Integrationspreis

Xhavit Mustafa ist Preisträger der Integrationsmedaille der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Foto: Oli Rost/dpa Foto: red

Die Bundesregierung hat die Integrationsmedaillen verliehen. Einer der Preisträger ist Xhavit Mustafa aus Bayreuth.  Der 46-Jährige ist Nachwuchstrainer bei der SpVgg und bietet mit seinem Projekt „Tor zur Welt“ jungen Kickern mit Migrationsgeschichte Deutschunterricht, Gruppenfahrten zu sportlichen Großevents und Museumsbesuche - und Fußballtraining.

 
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Jeden Morgen fährt das Militär durch das Viertel, auf der Suche nach jungen Männern. Xhavit Mustafa ist ein junger Mann, es ist das Jahr 1993, in Pristina, ehemaliges Jugoslawien, heute Kosovo. Mustafa ist 23 Jahre alt, und er will kein Soldat sein. Jeden Morgen fürchtet er, dass das Militär ihn und seinen kleinen Bruder abholt. Lange hat er die Einberufung ignoriert. Bis es immer enger wird für ihn. Da bricht er auf und flieht, ohne Ziel, mit seinem 17-jährigen Bruder im Schlepptau.

„Jeder Mensch wird versuchen, dahin zu gehen, wo es besser ist“, sagt Xhavit Mustafa heute. Der Software-Entwickler ist jetzt 46. Genau die Hälfte seines Lebens lebe er nun in Deutschland, sagt er, und genau jetzt bekommt er mit einigen anderen eine Medaille für seine Verdienste - von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung.

„Fußball spricht Deutsch“

Denn als Trainer im Fußballverein SpVgg Bayreuth gibt er weiter, was er bekommen hat. Viele Mädchen und Jungs im Verein haben eine Flucht- oder Migrationsgeschichte. Ihnen soll das Projekt „Tor zur Welt“ helfen, das Mustafa maßgeblich leitet - und für das er den Integrationspreis erhält. „Fußball spricht Deutsch“ sagt Mustafa. Kinder, die gerade erst in Deutschland angekommen sind, und solche, die schon etwas länger da sind, bekommen im Verein Sprachkurse, besuchen Museen - und spielen eben Fußball. Das Konzept hat er gemeinsam mit Studierenden der Universität Bayreuth entwickelt.

„Mir haben ein paar Menschen eine warme Hand gezeigt. Keine Ablehnung, sondern eine echt richtig warme Hand“, sagt Mustafa. Der Hausmeister in der Flüchtlingsunterkunft zum Beispiel, in die er mit seinem Bruder 1993 in Bayreuth kommt, verschafft den beiden einen Raum, in dem sie ungestört Deutsch lernen können. Und er sieht Mustafa kicken. „Er hat neue Fußballschuhe für mich gekauft“, sagt der 46-Jährige. „Das war ganz wichtig.“

Töchter bei "Voice of Germany"

Seine beiden Söhne (12 und 13 Jahre alt) spielen Fußball, eine seiner drei Töchter auch, zwei von ihnen studieren Biochemie. Mit Fug und Recht kann man wohl behaupten, dass Xhavit Mustafa und seine Familie integriert sind, vollumfänglich. Die drei Mädchen haben gerade bei der Castingshow „The Voice of Germany“ mitgemacht. Sie sind zwar ausgeschieden, aber Mimoza (20), Vjollca (19) und Shkurte (16) haben nicht nur Juror und Sänger Smudo mitgerissen. Ihr Vater hatte sie angemeldet.

Dabei hatte die zweite Hälfte von Mustafas Lebens - die in Deutschland - nicht so gut begonnen. Anfang der 1990er brennen in Deutschland Flüchtlingsheime, Rechtsradikale ziehen durch die Städte. Die Asylbewerber schoben Nachtwache am Heim, erzählt Mustafa. „Wir hatten jeden Tag Angst.“

Heute hat Xhavit Mustafa wieder Angst. „Jetzt ist es noch schlimmer“, sagt er. Die Ablehnung komme nicht nur von klar abgrenzbaren Neonazis. „Sie kommt aus jeder Richtung.“ Seine Antwort darauf ist auch, dass er seit November Vorsitzender des Integrationsbeirats der Stadt Bayreuth ist. Offenes Reden ist seine Strategie. Gegen die Verallgemeinerung aller Ausländer, für das genaue Hinschauen auf die Ursachen der Fluchtbewegungen - und auf Bedingungen für Integration.

Das ist es, was er tun kann. Was für ihn und seinen Bruder der Schlüssel zur Integration war, lag jedoch in der Verantwortung der Behörden: die Anerkennung als Flüchtling und damit die Aufenthaltsgenehmigung. Sein Bruder und er erhalten sie nach ihrer Ankunft in Bayreuth recht schnell, innerhalb eines Jahres. „Wenn man will, dass sich die Leute integrieren, muss man ihnen den Schlüssel geben“, sagt Mustafa.

Das bayerische Integrationsgesetz sieht er deshalb eher kritisch. „Ich habe im Internet gesucht: Gibt es vielleicht Projekte über diese Leitkultur?“, sagt Xhavit Mustafa und lacht. „Gibt es nicht.“

Sieg bei den Sternen des Sports

Mit der Integrationsmedaille, die von der Integrationsbeauftragten und Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) am Montagabend in Berlin überreicht wurde, werden seit 2010 Menschen geehrt, die mit ihrem außerordentlichen Engagement dafür sorgen, dass sich Migranten hierzulande besser zurechtfinden.

Die Medaille ist nicht die erste Auszeichnung, die Xhavit Mustafas Projekt „Tor zur Welt“ erhält. Anfang Oktober dieses Jahres holte es auch den Sieg beim Regionalentscheid der „Sterne des Sports“. Dieser Wettbewerb würdigt soziales Engagement und ist mittlerweile die bedeutendste Auszeichnung für Breitensport in Deutschland.

dpa

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