Nicht mit Angst, sondern mit Mut bewegen
Davon kriegen die beiden Jusos nichts mit: Sie lassen sich von der Stimmung im Saal mitreißen. Sie sind Schulz-Fans, haben T-Shirts bedrucken lassen. "Er hat verstanden, dass Emotionen wichtig sind", sagt Andreas Zippel. "Aber er macht das nicht so wie die AfD mit Angst, sondern mit Mut." Und er sei Europäer "bis in die Haarspitzen". Gerade das gefällt Niklas an Schulz: dass er die europäische Idee in Zeiten des wiederkehrenden Nationalismus' verteidigt, "und dass er Kritik an der Regierung übt".
Gefeiert wie ein Popstar
Der Kanzlerkandidat wird gefeiert wie ein Popstar: Als Martin Schulz gemeinsam mit dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern in den Saal einzieht, stehen die Leute auf, jubeln ihm zu, klatschen und wedeln mit ihren SPD-Fähnchen und den roten Plakaten mit knackigen Sprüchen wie "Jetzt ist Schulz!". Parallelen zu US-amerikanischen Wahlkämpfen sind nicht zu leugnen. Auf den Bildschirmen überall im Saal ist zu sehen, wie Schulz auf eine Bierbank klettert und den Genossen zuwinkt. "Das ist schon geil, wenn du von deiner Partei so geliebt wirst", sagt Andreas.
Kritische Beobachter sind auch da
Die beiden verlassen den Tisch und rücken in die Nähe der Bühne, wo sie Schulz aus der Nähe sehen und gemeinsam mit anderen Nachwuchs-Sozialdemokraten jubeln und johlen, wenn der Kanzlerkandidat ihre Meinung trifft.
Herbert Noll aus Bayreuth sieht sich das Spektakel schweigend an. Er ist kein SPD-Mitglied. Sein Schwager hat ihn mitgenommen. "Aber ich will mal sehen, ob er was umsetzen kann, von dem was er verspricht." Aber auch er sagt: So eine Stimmung wie im Zelt hat er noch nicht erlebt.
Klare Kante gegen die AfD
Gerade die Themen, die die Bayreuther Jusos am meisten bewegen - die AfD, Europa und die Emotionen - sind auch jene, mit denen Schulz in seiner Rede die meisten Reaktionen bewirkt. Schulz verzichtet bis auf einige kleine Spitzen auf die übliche Polemik und das Herziehen über die CSU. Er pöbelt nicht, sondern spricht sich immer wieder ganz klar gegen die AfD aus, gegen Rechtspopulismus, gegen Nationalismus. Die AfD, "das ist keine Alternative für Deutschland, das ist schlicht und ergreifend eine Schande für die Bundesrepublik."
Wie schon Christian Kern und der Vorsitzende der Bayern-SPD Florian Pronold vor ihm betont auch Schulz, wie wichtig ein starkes Europa sei. Kern erinnert an Francois Mitterand, der einst sagte: "Nationalismus bedeutet am Ende immer Krieg".
Die Klassiker fehlen nicht
Schulz spricht auch über die typischen SPD-Themen: Arbeit, Bildung, Solidarität, Mindestlohn, Rente, Steuern und Demokratie - und Flüchtlinge. Immer wieder unterbricht Jubel seine Rede. Er beendet sie mit dem Satz, mit dem der Wirbel um seine Person vor nur vier Wochen begonnen hat: "Ich trete an, um Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden". Unter begeisterten "Martin, Martin, Martin"-Rufen verlässt er das Zelt. Damit ist auch die Veranstaltung jäh zu Ende.
Ruhe im Bus
Die Bayreuther machen sich auf den Heimweg. Im Bus herrscht Ruhe. Hitzige Debatten über die Politik? Fehlanzeige. Warum auch: Schulz hat nichts gesagt, was ein Sozialdemokrat nicht ohnehin vertreten könnte.
Anm. d. Red.: Dieser Text ist bearbeitet: Irrtümlich war zunächst Oliver Jauernig anstelle von Oliver Winkelmaier zitiert.