Bayreuther erleben die Schulz-Show

Von Andrea Pauly

Den "Schulz-Effekt" haben am Aschermittwoch 57 Sozialdemokraten aus Bayreuth und Umgebung beim politischen Aschermittwoch der Bayern-SPD an der Donau live erlebt. Gemeinsam mit 5500 anderen Sozialdemokraten und Gästen erlebten sie den Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der so sehr gefeiert wurde, dass sich der österreichische Bundeskanzler Christian Kern als dessen "Vorband" bezeichnete. Und die Bayreuther Sozialdemokraten feierten mit - vor allem die jungen.

 
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Seit Martin Schulz am 29. Januar angekündigt hat, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden zu wollen, hat die SPD einen Mitgliederzulauf wie lange nicht mehr. Allein in den Unterbezirk Bayreuth Stadt und Land sind in den vergangenen vier Wochen 36 neue Mitglieder eingetreten - und zwar vor allem junge Leute ab 18 Jahren, sagt Pressereferent Alex Bauer.

Früh um fünf geht's los

Schulz ist auch der Grund, warum der Bus von Bayreuth an die Donau früh um fünf Uhr voll besetzt ist und einige Mitglieder zusätzlich mit eigenen Autos nach Vilshofen fahren: Sie wollen Schulz erleben. Sie wollen den Mann, der auszog, um Bundeskanzler zu werden, vor Augen haben. "Ich weiß nicht, ob der Bus voll gewesen wäre, wenn Sigmar Gabriel da gewesen wäre", sagt Oliver Winkelmaier, SPD-Stadtrat aus Pegnitz und Reiseleiter. Auch aus den anderen oberfränkischen Unterbezirken fahren Busse nach Vilshofen.

Dort findet der politische Aschermittwoch zum 98. Mal statt. Aber es ist eine Veranstaltung der Superlative: Noch nie waren so viele Gäste dort. Rund 5500 Gäste sind in dem riesigen Festzelt an der Donau - immer wieder betonen die Sozialdemokraten, dass sie damit die größte Veranstaltung dieser Art in Bayern haben, mit mehr Gästen als die CSU. Als die Bayreuther nach längeren Staus gerade noch rechtzeitig zur Begrüßung in Vilshofen ankommen, ist das Festzelt schon gefüllt. Das Publikum ist bunt gemischt: Vom Hipster über den Hippie mit Rastas über den Maßanzugträger bis hin zum traditionsbewussten Bayern in Tracht.

Drei Stunden Schlaf und ein Weißwurstfrühstück

Die Tische der Fahrgemeinschaft aus der Stadt und dem Landkreis sind über den ganzen Saal verteilt. Die Teilnehmer sind vor allem ältere Mitglieder, die jedes Jahr mitfahren. Die Jusos, die an Bord sind, senken den Altersdurchschnitt erheblich - und für sie ist der Termin keine Gewohnheit: Andreas Zippel (25) und Niklas Wenzel (24) sind nur wegen Schulz mitgefahren. Sie haben nur drei Stunden geschlafen. Im Zelt stärken sie sich erstmal mit einem Weißwurstfrühstück - und haben dabei Glück.  Nicht alle bekommen an diesem Vormittag etwas zu essen oder zu trinken. Mit der Gastronomie hapert es, das Essen ist schon ausverkauft, bevor Schulz die Bühne betreten hat.

Nicht mit Angst, sondern mit Mut bewegen

Davon kriegen die beiden Jusos nichts mit: Sie lassen sich von der Stimmung im Saal mitreißen. Sie sind Schulz-Fans, haben T-Shirts bedrucken lassen. "Er hat verstanden, dass Emotionen wichtig sind", sagt Andreas Zippel. "Aber er macht das nicht so wie die AfD mit  Angst, sondern mit Mut." Und er sei Europäer "bis in die Haarspitzen". Gerade das gefällt Niklas an Schulz: dass er die europäische Idee in Zeiten des wiederkehrenden Nationalismus' verteidigt, "und dass er Kritik an der Regierung übt".

Gefeiert wie ein Popstar

Der Kanzlerkandidat wird gefeiert wie ein Popstar: Als Martin Schulz gemeinsam mit dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern in den Saal einzieht, stehen die Leute auf, jubeln ihm zu, klatschen und wedeln mit ihren SPD-Fähnchen und den roten Plakaten mit knackigen Sprüchen wie "Jetzt ist Schulz!". Parallelen zu US-amerikanischen Wahlkämpfen sind nicht zu leugnen. Auf den Bildschirmen überall im Saal ist zu sehen, wie Schulz auf eine Bierbank klettert und den Genossen zuwinkt. "Das ist schon geil, wenn du von deiner Partei so geliebt wirst", sagt Andreas.

Kritische Beobachter sind auch da

Die beiden verlassen den Tisch und rücken in die Nähe der Bühne, wo sie Schulz aus der Nähe sehen und gemeinsam mit anderen Nachwuchs-Sozialdemokraten jubeln und johlen, wenn der Kanzlerkandidat ihre Meinung trifft.

Herbert Noll aus Bayreuth sieht sich das Spektakel schweigend an. Er ist kein SPD-Mitglied. Sein Schwager hat ihn mitgenommen. "Aber ich will mal sehen, ob er was umsetzen kann, von dem was er verspricht." Aber auch er sagt: So eine Stimmung wie im Zelt hat er noch nicht erlebt.

Klare Kante gegen die AfD

Gerade die Themen, die die Bayreuther Jusos am meisten bewegen - die AfD, Europa und die Emotionen - sind auch jene, mit denen Schulz in seiner Rede die meisten Reaktionen bewirkt. Schulz verzichtet bis auf einige kleine Spitzen auf die übliche Polemik und das Herziehen über die CSU. Er pöbelt nicht, sondern spricht sich immer wieder ganz klar gegen die AfD aus, gegen Rechtspopulismus, gegen Nationalismus. Die AfD, "das ist keine Alternative für Deutschland, das ist schlicht und ergreifend eine Schande für die Bundesrepublik."

Wie schon Christian Kern und der Vorsitzende der Bayern-SPD Florian Pronold vor ihm betont auch Schulz, wie wichtig ein starkes Europa sei. Kern erinnert an Francois Mitterand, der einst sagte: "Nationalismus bedeutet am Ende immer Krieg".

Die Klassiker fehlen nicht

Schulz spricht auch über die typischen SPD-Themen: Arbeit, Bildung, Solidarität, Mindestlohn, Rente, Steuern und Demokratie - und Flüchtlinge. Immer wieder unterbricht Jubel seine Rede. Er beendet sie mit dem Satz, mit dem der Wirbel um seine Person vor nur vier Wochen begonnen hat: "Ich trete an, um Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden". Unter begeisterten "Martin, Martin, Martin"-Rufen verlässt er das Zelt. Damit ist auch die Veranstaltung jäh zu Ende.

Ruhe im Bus

Die Bayreuther machen sich auf den Heimweg. Im Bus herrscht Ruhe. Hitzige Debatten über die Politik? Fehlanzeige. Warum auch: Schulz hat nichts gesagt, was ein Sozialdemokrat nicht ohnehin vertreten könnte.

 

Anm. d. Red.: Dieser Text ist bearbeitet: Irrtümlich war zunächst Oliver Jauernig anstelle von Oliver Winkelmaier zitiert.

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