"Bayreuth verträgt mehr als ein Konzert"

Von Michael Weiser

Bayreuth hat Wagner und die Festspiele. Und darüber hinaus Veranstaltungsreihen auch für Musikernachwuchs, die mit- und gegeneinander um Anerkennung, Publikum und Fördermittel buhlen. Von 14. bis 23. April etwa geht das 23. Osterfestival der Internationalen jungen Orchesterakademie über verschiedene Bayreuther Bühnen. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden Ulrich S. Schubert nicht nur über Konkurrenz und die Kulturmarke Bayreuth, sondern auch über Eiserne Vorhänge, Eisbrecher und Annäherungen von feindlichen Brüdern.

 
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Das Osterfestival findet 2017 tatsächlich statt – anders als etwa die Sommeroper in Bamberg, die mangels Geld abgesagt wurde. Haben Sie eine Bank überfallen?

Ulrich Schubert: Wir haben uns intensiv seit Ostern bemüht, Sponsoren ins Boot zu holen, und zwar auf drei Jahre, um für eine langfristige Perspektive zu sorgen. Namhafte Dirigenten und Solisten gewinnt man nur so. Wir haben uns darüber hinaus bemüht, zusätzliche Sponsoren und weitere private Spender zu gewinnen. Und: Erstmals haben wir zum Crowdfunding aufgerufen. Das ist essenziell für Stipendien, nur so können wir unsere Gäste aus aller Welt einladen.

"Sehr freundlich, sehr nett"

Darunter auch Gäste aus Nordkorea, ein Land hinter einem Eisernen Vorhang.

Schubert: Der eiserne Vorhang besteht nach Süden, zu den feindlichen Brüdern in Südkorea. Die Musiker, die zum Osterfestival reisen dürfen, sind natürlich von der Regierung ausgewählt, es sind wahrscheinlich Musiker, die zur Sicherheit in Nordkorea Familie haben, sie reisen über Peking und bekommen für diese Zeit einen Reisepass. Es sind exzellente Musiker, handverlesen, weil sie als Botschafter ihres Landes reisen. Wir sind eigentlich die einzige Institution, die regelmäßig Gäste aus Nordkorea hat. Der Kontakt kam ursprünglich über Hartmut Koschyk zustande (CSU-Bundestagsabgeordneter und bis 2009 Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe, Anm. der Red.). Mittlerweile haben auch wir selber gute Kontakte zur nordkoreanischen Botschaft aufgebaut. Diese Beziehungen sind dem Auswärtigen Amt so wichtig, dass es die Flugkosten übernimmt, während wir für die Kosten hier beim Ostervestival aufkommen. Wir freuen uns über die hohe Qualität der Musiker, die auf der menschlichen Seite sehr freundlich und sehr nett sind und es genießen, eine solche Chance wahrnehmen zu können.

Es fällt auf, dass in offiziellen Mitteilungen nicht von Nordkorea die Rede ist, sondern von der Demokratischen Republik Korea, ein Name, den kaum ein Mensch kennt. Mussten Sie dem Regime entgegenkommen?

Schubert: Wir müssen den Namen nehmen, der im offiziellen Sprachgebrauch auch von der UNO verwendet wird. Inoffiziell sagen wir natürlich auch Nordkorea. Es ist auch nicht einfach, meiner großen Tochter mit ihren 14 Jahren gegenüber zu erklären, was an diesem Land demokratisch ist. Was wir heuer noch nicht haben, sind Musiker aus Südkorea. Aber wir gehen davon aus, dass wir wie in den vergangenen Jahren auch aus diesem Land noch Musiker begrüßen dürfen.

Der konservierte Gewandhaus-Klang

Was dann wieder zu spannenden Begegnungen führt. Wie verhalten sich die Menschen aus den verfeindeten Landeshälften zueinander?

Schubert: In den ersten Jahren war das schwierig. Die wollten nicht mal zusammen auf ein Foto. Doch in den vergangenen Jahren näherten sich die Menschen an. Die haben sich dann auch zusammengesetzt. Auf der menschlichen Ebene wäre man nicht weit von der Wiedervereinigung entfernt, politisch dagegen meilenweit und auf wirtschaftlicher Ebene ist der Abstand so groß, dass nicht einmal das reiche Südkorea die Lasten tragen könnte. Was für uns der Eisbrecher war, das war der Aufpasser, der vor sieben Jahren nach Deutschland mitgereist war. Der war selber Musiker, ein Dirigent und Flötist. Und seine Ausbildung hatte er wie all seine Landsleute in Leipzig genossen. Sind alle dort ausgebildet. Unser Dirigent Henrik Hochschild, Konzertmeister vom Gewandthaus Leipzig, hatte dort zur selben Zeit wie der Aufpasser studiert. Und der sagte, wir kennen einander doch, lass uns per Du sein. Übrigens ist das auch reizvoll: Nordkoreanische Streicher hören sich an wie der konservierte alte Klang des Gewandhausorchesters.

"Man muss das ganze Jahr über etwas bieten"

Fast zur selben Zeit läuft das deutsch-französische Forum, das mit der Musica Bayreuth zusammenarbeitet. Gibt es in Bayreuth zu viel Publikum? Warum macht man sich da Konkurrenz?

Schubert: Unserer Anspruch ist ein anderer. Wir haben das Festival deswegen gegründet, weil es zu Ostern in Bayreuth keinerlei weltliche Konzerte gab. Baden-Baden und Salzburg setzen voll darauf, die Kulturstadt Bayreuth nicht. Man muss aber den Touristen das ganze Jahr über etwas bieten, auch zur Osterzeit, deswegen warten wir mit Formaten von einer gewissen Größe und Vielseitigkeit auf. Unser Publikum besteht aus dem klassischen Bayreuther Publikum, aber auch aus Menschen, die aus Nürnberg, Bamberg, Hof oder von noch weiter her anreisen. Deswegen machen wir diese ganz besonderen Konzerte.

Die anderen machen auch besondere Konzerte. Müsste man in Bayreuth Veranstalter nicht mehr bündeln, um Konzerttermine besser zu koordinieren?

Schubert: Seit vielen Jahren propagieren wir, das Bayreuth ein ganzjähriges Kulturprogramm braucht. Deswegen ist bei uns beispielsweise Christoph Krückl von der Schlosskirche mit Orgelwerken eingebunden. Wir brauchen einen Markennamen, der auch die anderen Veranstaltungen einbindet. Wir sehen das nicht als Konkurrenz, sondern sehen die Chance, gemeinsam ein attraktives Angebot entwickeln zu können. Bayreuth gibt es nicht nur im August. Wir brauchen mittelfristig das Markgräfliche Opernhaus, das auch Publikum zieht.

Spielen, als sei es das letzte Mal

Nach Konkurrenz sieht es schon aus, wenn man sieht, was Osterfestival und Forum da im Abstand von nur einer Woche anbeten: Johannes Brahms 1. Symphonie und Bruckners 8. Symphonie, zwei Knaller der Literatur.

Schubert: Das ist eben unser Konzert mit mit großem Symphonieorchester. An Ostern steht bei uns nicht nur die Völkerverbindung im Vordergrund, da wollen wir auch Werke präsentieren, die nicht so oft gespielt werden, auch weil eine Hochschule normalerweise kein Hundert-Mann-Orchester auf die Beine stellen kann. Außerdem spielen wir an diesem Termin unsere Benefiz-CD ein, deren Erlös kranken Kindern zugute kommt. Wir spielen Wagner, Mahler und Brahms, es ist schon ein Höhepunkt unseres Programms. Aber auch die anderen Termine sind hochkarätig besetzt. Es ist schön, einen Haufen Musiker dazuhaben, aus denen sich ein Spitzenorchester wird, das jedes Mal so spielt, als sei es sein letztes Mal. Und: Ich bin sicher, Bayreuth verträgt mehr als ein einziges klassisches großes Konzert.

INFO: Das Osterfestival beginnt am 14. April, beim Eröffnungskonzert ist die Matthäus-Passion von Telemann unter der Leitung von Michael Dorn zu hören. Am Sonntag, 16. April, ist in der Ordenskirche das große Symphoniekonzert mit der Ouvertüre zu Wagners „Holländer“, Mahlers „Liedern aus des Knaben Wunderhorn“ und Brahms’s 1. Symphonie (20 Uhr). Das vollständige Programm finden Sie unter http://www.osterfestival.de/Konzerte-2017.htm

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