Die gute Nachricht: „Es wird keiner heimgeschickt“, sagt Harald Baumann (51). Wenn’s wehtut, müssen der Obmann der Zahnärzte für den Bezirk Bayreuth und seine 130 Kollegen bohren, füllen oder ziehen. Die schlechte Nachricht: zwischen Krankenkasse und Zahnärzten ist keine Einigung in Sicht. Sie schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Vorwürfe inklusive. Die Zahnärzte sagen, die AOK hat zu wenig ausgezahlt. Die AOK sagt, die Zahnärzte haben zu viel ausgegeben.

„Die Kassen machen Überschuss; wird das nur für Werbung ausgegeben und nicht für die Leistung?“, fragt Baumann. Für Wellnesstage und Yoga-Kurse sei Geld da, nicht aber für die Patienten. „Die bleiben auf der Strecke.“

Es ist ein alter Backenzahn, bei dem es schon lange knirscht zwischen Ärzten und der AOK. Die Krankenkassen handeln mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung jedes Jahr eine Art Gehaltserhöhung aus. Können sich die beiden nicht einigen, muss ein Schlichter entscheiden. So auch dieses Jahr. 1,3 Prozent haben die Kassen geboten, der Schlichter schlug 4,3 Prozent mehr Geld und Sonderzahlung vor: Unterm Strich wäre eine „Lohnerhöhung“ von zehn Prozent gestanden. Zu viel, sagte die AOK und zog vors oberste bayerische Sozialgericht. Das gab ihnen zunächst recht: Die „Lohnerhöhung“ sei nicht konform mit dem Gesetz. „Der Schiedsspruch ist nach summarischer Prüfung rechtswidrig.“ Ein endgültiges Urteil ist nicht vor einem Jahr zu erwarten. So lange gelten die „Löhne“ von 2013.

Und die Zahnärzte beschleicht Existenzangst. Denn die AOK-Patienten machen den größten Anteil ihrer Kunden aus, bei manchem bis zu zwei Drittel, schätzt ihr Obmann Baumann. Immerhin ist die AOK mit 40 Prozent Marktanteil der Platzhirsch unter den Krankenversicherern. Sie begründet ihre Klage gegen die „Lohnerhöhung“ damit, dass sie ihre Kunden vor einer Beitragserhöhung schützen müsse.

Dabei sind die Summen, um die es geht, relativ gering – für die AOK. Knapp zwei Milliarden Euro zahlt sie im Jahr für Behandlungen ihrer Versicherten, davon fließen laut Geschäftsbericht nur 800,3 Millionen Euro in zahnärztliche Behandlungen. „Die AOK stellt weniger Geld als andere Kassen zur Verfügung“, sagt Tobias Horner, Sprecher der KZVB. „Und wir können nicht mehr Geld verteilen, als wir haben.“

Ganz anders hört sich das aufseiten der AOK an: „Die AOK Bayern liegt mit ihren Ausgaben für zahnärztliches Honorar je Versicherten zwölf Prozent über dem Durchschnitt aller Krankenkassen in Deutschland“, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Das hört sich ziemlich unversöhnlich an. Aber die KZVB signalisiert: „Wir sind absolut gesprächsbereit.“ Die Patienten merken von diesem Streit hinter den Kulissen nichts. Es gehe, betont ein AOK-Sprecher, „lediglich um das Abrechnungsverfahren zwischen KZVB und Zahnärzten“.

Denn an den sogenannten Puffertagen bekommen die Zahnärzte bis zu zwei Drittel weniger Geld für einen AOK-Patienten. Er werde „keinerlei Einschränkungen“ bei der Behandlung geben. Gesetzgeber und vertragszahnärztliches Regelwerk sichern ausdrücklich zu, dass es während des gesamten Jahres keine Einschränkungen bei der Behandlung geben darf. Darauf weist das Gesundheitsministerium in München hin. Aber selbst dort hat man keinen Einfluss auf die streitenden Parteien. „Honorarverhandlungen sind ureigenste Zuständigkeit der Selbstverwaltungspartner“, heißt es. Und so streiten die Parteien untereinander weiter, der AOK-Patient merkt davon nichts. Es wird weiter gebohrt, gezogen und gefüllt – und gejammert. Nicht ohne Grund. „Wir legen Geld drauf“ bei AOK-Patienten, sagt Baumann. Material, Maschinen, Energie, Personal – insgesamt würde ein Durchschnittszahnarzt 68 Prozent seiner Einnahmen für den laufenden Betrieb seiner Praxis verwenden.

Das Geld, das er für seine AOK-Patienten nicht kriegt, fehlt ihm. Paradox ist, dass er nicht mehr Patienten behandeln kann, um mehr Geld zu verdienen. Das sieht das System nicht vor, das die Menge an Arbeit eher planwirtschaftlich beschränkt. Dazu kommt, dass die Patienten älter werden. „Sie gehen immer später zum Zahnarzt“, sagt Baumann. Der Aufwand wird größer und teurer. Werden AOK-Patienten schlechter behandelt? „Nein, klares Nein“, sagt die KZVB.