Wie Lehrer und Flüchtlinge an der Berufsschule II voneinander lernen Bayreuth: So sehen uns junge Flüchtlinge

Von Katharina Wojczenko

Es sind nur acht Plakate mit Bildern und Wörtern. Aber diese Ausstellung hat das Zusammenleben in der kaufmännischen Berufsschule verbessert, sagt Schulleiter Bernhard Grünewald. Das Besondere: Flüchtlinge aus der Asylklasse haben sie gestaltet - und führen Schüler aus anderen Klassen hindurch. Mit Fotogalerie.

 
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Es ist ein ungewohntes Bild. Um die Stellwände in der Aula stehen zwei Dutzend Schülerinnen immer einem dunkelhäutigen jungen Mann gegenüber. Die Rechtsanwaltsfachangestellten-Klasse besteht nur aus Frauen. "Das ist der Curara-Wasserfall in Nigeria", sagt Sirak (16) aus Eritrea. "Dorthin kommen viele Touristen." Er zeigt auf ein Bild der Stadt Mogadischu: "Somalia ist sehr schön, aber es gibt keine Arbeit." Die Jungs sprechen frei, eine Hand in der Hüfte, mit der anderen deuten sie auf die Bilder, gestikulieren - und fragen auch mal, ob die Mädels sie verstehen.

"Mein Deutsch ist noch nicht so gut", sagt Joshua (18) aus Nigeria entschuldigend. Stimmt nicht, sagen diese. Und fragen. Erfahren, dass Sirak sieben Monate von Eritrea nach Deutschland unterwegs war. "Boah", sagt eine Zuhörerin. "Wie hast du dich versorgt?" Sirak erzählt, wie lange er im Boot unterwegs war, wie viele Menschen sich bei der Überfahrt 150 Liter Wasser teilten. Nebenan erzählt einer, dass seine Flucht ohne Probleme war. "Was verstehst du darunter?", fragt eine Schülerin. Er hatte zwei Jahre gearbeitet und konnte sich mit 10.000 Euro eine komfortablere Flucht erkaufen.

Deutschland, Land der Katzenfreunde

Auf einer Weltkarte haben die Schüler markiert, woher sie kommen. Auf ein Plakat haben sie geklebt, was sie an ihrer Heimat schön finden. Was sie vermissen. Weshalb sie geflohen sind und was ihnen Angst macht. Auf einem sind Bilder von Terrormilizen, Soldaten, Leichen und Blut auf Asphalt. Und ein paar Meter weiter von Angela Merkel und einer Katze, die bis zur Nasenspitze sorgsam in ein Handtuch gewickelt ist. "Das Gute in Deutschland", steht darüber. Und bei Katze und Merkel: Die Menschen haben Mitgefühl. Es gibt eine gute Regierung.

Sonst haben die beiden Gruppen im Schulalltag kaum etwas miteinander zu tun, sagt Schulleiter Bernhard Grünewald. Die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge besuchen die Berufsintegrationsklasse und haben jeden Tag Unterricht. Die anderen Schüler sind in ihrem Ausbildungsbetrieb und nur tageweise an der Schule.

Flüchtlinge machen Riesenfortschritte in Deutsch dank Ausstellung

"Die Flüchtlinge haben in Deutsch durch die Ausstellung einen richtigen Schub bekommen", sagt Deutschlehrer Roland Braun. Weil sie anderthalb Stunden am Stück reden müssen mit den anderen Schülern. Erst führen sie in Gruppen durch die Ausstellung. Danach folgt eine Fragerunde in großer Gruppe in der Bibliothek. Viele von ihnen konnten weder lesen noch schreiben, als sie im September an die Berufsschule kamen. Und Deutsch erst recht nicht.

Die Resonanz der deutschen Schüler ist positiv. "Ich finde die Ausstellung gut, weil es eine Hemmschwelle gibt", sagt Melissa (18). "Man hört viel Schlechtes über Flüchtlinge." Über die beiden, mit denen sie heute zu tun hatte, sagt sie: "Sie sind voll freundlich, sprechen gut Deutsch und wir haben viel Spaß gemacht."  Sophia (19) hat erfahren, dass nicht alles so ist wie auf den Fotos. "Auf dem Bild waren in einem Klassenzimmer 70 Schüler - aber er hat erzählt, dass es bei ihm um die 20 Leute in einer Klasse waren." Was können wir tun?, wollen mehrere Schülerinnen wissen. "Wenn ihr in einem Verein seid, nehmt sie einfach mal mit", sagt Lehrerin Christine Benker. "Und sie brauchen dringend Nachhilfe in Mathe."

Schule will Berührungsängste abbauen - und hat erste Erfolge

"Wir wollten Berührungsängste abbauen", sagt Schulleiter Grünewald. Die gab es durchaus, sagt Lehrerin Lisa Gebelein. Sie erinnert sich an eine Schülerin, die sich vorher nicht näher als zehn Meter an die Flüchtlinge heranwagen wollte und am liebsten nicht in die Ausstellung gegangen wäre. "Wenn dir jemand etwas tut, schrei einfach, ich bin da", sagte Gebelein.

Danach sei die Schülerin zu ihr gekommen. "Die sind ja gar nicht so schlimm." Nach gut zwei Wochen Ausstellung grüßen sich nun Schüler, die sich vorher nicht kannten, frühstücken gemeinsam. Und die Schule will Patenschaften zwischen deutschen Schülern und Schülern der Flüchtlingsklasse organisieren. Die Idee kam von den Schülern.

Auch die Lehrer lernen dazu

Auch die Lehrer haben im Umgang mit den Flüchtlungen einiges gelernt, vor allem, flexibel zu sein. Auf dem Stundenplan der Flüchtlinge stehen zum Beispiel auch Gesundheits- und Hygieneerziehung. Nach dem korrekten Händewaschen bringt Lehrerin Lisa Gebelein jetzt Fahrradfahren und Verkehrsregeln bei, weil immer wieder Schüler mit Verletzungen in den Unterricht kamen. Verpflastern haben sie schon geübt, jetzt ist das Programm für den Fahrradwimpel dran. Deutschlehrer Roland Braun bildet sich im Unterrichten Deutsch als Fremdsprache weiter und beschäftigt sich mit den Hintergründen seiner Schüler. "Sie sind so wissensdurstig", sagt er.

Info: Derzeit gibt es an der Berufschule II zwei zweijährige Berufsintegrationsklassen. Die erste startete im September 2015 - sie hat die Ausstellung gestaltet, die zweite im Februar 2016. Im ersten Jahr geht es vor allem um Deutschlernen, im zweiten um Berufsvorbereitung. In beiden sind jeweils um die 16 Schüler, die zwischen 16 und 21 Jahre alt sind, also berufschulpflichtig sind. Die meisten stammen aus Afrika. Für den Deutschunterricht arbeitet die Schule mit der VhS zusammen.

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