Betrug mit künstlichen Herzklappen? Bayreuth: Klinikum-Kommission steckt in der Sackgasse

Von Frank Schmälzle
Seit vier Monaten arbeiten die Kommissionen, die die Vorwürfe gegen das Klinikum Bayreuth aufarbeiten sollen: Ob das Klinikum Behandlungsmethoden angewandt hat, die die Kassen füllten und Patienten schadeten, ist immer nicht klar. Jetzt macht der Aufsichtsrat Druck. Foto: Wittek Foto: red

Patienten sollen künstliche Herzklappen per Schlüssellochoperation eingesetzt worden sein. Obwohl das medizinisch nicht nötig war. Weil diese Methode Geld bringt. Die Arbeit der Expertenkommission, die diesen Vorwurf gegen das Klinikum Bayreuth aufarbeitet, stockt. Jetzt werden drei weitere Fachleute hinzugezogen – Mediziner aus München. Klinikum-Aufsichtsratschef dauert das alles zu lang. Er sagt: "Wir wollen handeln."

 
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Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, sagt der Interimsgeschäftsführer des Klinikums, Joachim Haun. Nichts wäre schlimmer als ein Kommissionsbericht, der kritischen Fragen nicht Stand hält. Das würde dem Ruf des Klinikums weiter schaden, das Vertrauen weiter erschüttern. Deshalb sagt Haun: „Wir sind froh, dass die Kommission die externe Unterstützung will.“

Keine Mehrheit für den ersten Bericht

Braucht es die? Muss die nochmalige Verzögerung sein? Unter der Leitung des ehemaligen Klinikum-Chefarztes Prof. Wolfgang Mäurer arbeiten bereits fünf ausgewiesene Experten. Haun sagt: „Es ist immer gut Kompetenz auszubauen.“ Dass die Kommission in der Sackgasse steckt, dass es Differenzen zwischen den Mitgliedern und dem Vorsitzenden gibt, bestätigt er nicht. Nach Kurier-Informationen lag bereits im November ein Bericht vor, den die Mehrheit der Komissionsmitglieder nicht mittragen wollte. Der Vorsitzende drohte mit Rücktritt.

Risikomanager schalten sich ein

Auch die Deutsche Gesellschaft für Risikoberatung mischt mit. Sie hat auf Auffälligkeiten auch im Zusammenhang mit den Herzklappen-Operationen hingewiesen. Geschäftsführer Haun bestätigt, dass die Gesellschaft den Umgang mit Patientenakten im Klinikum stichprobenartig überprüft hat. „Bei der Aktenführung sind Punkte zutage getreten, die uns veranlassen, unsere Verfahrensweisen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern.“ Dies betreffe das gesamte Klinikum. Sollte Informationen im Zusammenhang mit den Herzklappen-Operationen auftauchen, würden sie der Kommission zugeleitet.

Probleme mit Patientenakten

Dass Akten von Patienten verschwunden sind, erzählen sich viele im Klinikum. Haun kann sich das nicht vorstellen. Wesentliche Teile der Daten sind im EDV-System des Krankenhauses gespeichert. Ausschließen will er es aber auch nicht. 173 solcher Akten aus den Jahren 2009 bis April 2013 könnten Aufschluss darüber geben, ob im Klinikum das wirtschaftliche Interesse über das Patientenwohl gestellt worden ist. Wie viele die Kommission geprüft hat? Das weiß außerhalb der Expertengruppe niemand.

Noch ein Vorwurf, noch eine Kommission: Die zweite Expertengruppe ist nach Angaben des Ärztlichen Direktors, Prof. Klaus Henneking, vorangekommen. Sie soll klären, ob auf einer Intensivstation Patienten länger als nötig künstlich beatmet wurden. Auch dies zum wirtschaftlichen Vorteil des Klinikums – und zum Schaden von Patienten. Laut Henneking geht es nur noch um Fragen der Ergebnisformulierung. Damit widerspricht er Kurier-Informationen, dass auch diese Gruppe noch um einen Konsens ringt. Beobachter fragen sich, warum die nächste Sitzung vereinbart ist, wenn es nur noch um redaktionelle Änderungen gehe. Und: Einen Termin, wann diese Gruppe ihren Bericht vorlegt, gibt es nicht. Der Kommission hatte zunächst auch der Chefarzt angehört, an den sich die Vorwürfe richten. Dies wurde korrigiert.

Personelle Konsequenzen bleiben aus

Geliefert hat die dritte Kommission. Die hatte Vorwürfe gegen die Abteilung für Geburtshilfe begutachtet und kam zu dem Ergebnis: Zwischen Ärzten der Geburtshilfe und der Kinderklinik gab es Kompetenzgerangel. Mit schweren Folgen: Ein Kind sei gestorben, vier weitere hätten schwere Schäden davongetragen. Dies sei abgestellt, hieß es. Personelle Konsequenzen gibt es bis dato aber nicht. Bis auf eine Vereinbarung mit einem Arzt, dass er nur auf Wunsch einer Entbindenden Geburtshilfe leisten darf.

Der Bericht dieser Kommission liegt seit November vor, komplett veröffentlicht wurde er nicht. Obwohl Transparenz versprochen war. Jetzt gilt: „Die beiden noch tätigen Kommissionen haben den Auftrag, ihre Ergebnisse zu formulieren, dass sie veröffentlicht werden können“, sagt Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender Hermann Hübner. Und: Sie sollen Gas geben. „Gefühlt dauert mir die Aufarbeitung zu lange“, sagt Hübner, der im August bei der Ablösung des damaligen Geschäftsführers Roland Ranftl Ergebnisse binnen weniger Wochen versprochen hatte. Die Verzögerung hat laut Hübner Gründe: Die Kommissionsmitglieder arbeiten ehrenamtlich, stehen nicht auf Zuruf bereit. Die Themen sind komplex und die Meinungsbildung ist schwierig. „Wir haben das unterschätzt.“

Aufsichtsrats-Chef: "Wir wollen handeln"

Vier Monate sind vergangen, seitdem das Klinikum die Kommissionen eingesetzt hat. Noch einmal so lang will Hübner nicht warten. Und er will es nicht hinnehmen, dass den Kommissionen Themen aufgehalst werden, die wenig oder nichts mit den eigentlichen Vorwürfen zu tun haben. Gegen Versuche, Einfluss auf die Experten zu nehmen, werde er vorgehen. „Wir warten auf die Berichte“, sagt der Aufsichtsratschef. „Wir wollen handeln.“

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