Der irakische Kurde Zana Qader erhielt eine Ausbildungsstelle Bayreuth: Flüchtling trifft das große Glück

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Neun Monate nach seiner Flucht aus dem Irak hat Zana Qaders Leben wieder eine Perspektive: Yilmaz Duran (links), Geschäftsführer der Autowerkstatt Auto Perfekt in Geigenreuth, hat den irakischen Kurden als Lehrling angestellt. ⋌Foto: Andreas Harbach Foto: red

Zana Qadar kann sein Glück kaum fassen: Er ist vor neun Monaten aus dem Irak geflohen, nachdem IS-Kämpfer seine Heimatstadt eingenommen hatten und begannen, Gräueltaten unter der Zivilbevölkerung anzurichten. Jetzt hat sein Leben eine entscheidende Wendung genommen. Ylmaz Duran, Betreiber einer Kfz-Werkstatt, hat ihm eine Lehrstelle angeboten.

 
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Man könnte es als göttliche Fügung bezeichnen, dass Yilmaz Duran und Zana Qadar aufeinandertrafen. Bei einem Gottesdienst in der Neudrossenfelder Kirche, um genau zu sein. Dort sollte der aus dem Irak geflohene Kurde Qadar aus seiner Heimat berichten und Duran, Kurde aus der Türkei, seine Schilderungen übersetzen. Die beiden Männer freundeten sich an. Seit 1. September absolviert Qadar eine Ausbildung in der Kfz-Werkstatt Auto Perfekt von Duran in Geigenreuth.

Ohne Perspektive

"Zana machte von Beginn an einen erfrischenden Eindruck auf mich. Aufgeschlossen, wissensbegierig, neugierig. Mir war schnell klar, dass er zu schade ist für einen Hilfsarbeiterjob. Deshalb habe ich ihm angeboten, bei mir eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker zu absolvieren." Der 34-jährige Iraker lief seinem nur vier Jahre älteren Chef zum rechten Zeitpunkt über den Weg. Denn Duran sucht seit zwei Jahren einen weiteren Mitarbeiter oder Azubi für seine Werkstatt, doch "scheinbar will sich niemand mehr die Hände schmutzig machen", glaubt er den Grund dafür zu kennen, dass seine Suche erfolglos blieb. Für seinen neuen Azubi ist die Stelle wertvoll wie ein großer Lottogewinn. Seit neun Monaten lebt er mit seiner Frau und den beiden Kindern in einer Einzimmerwohnung in Bayreuth, ist auf staatliche Unterstützung angewiesen und ohne berufliche Perspektive. Einziger Lichtblick: Ein christlicher Freundeskreis, der ihm Halt gibt, auch religiös. Und der seinen Auftritt in Neudrossenfeld eingefädelt hatte und damit das Aufeinandertreffen mit Duran.

In Lebensgefahr

Als die italienische Küstenwache Qader, seine Frau und die beiden kleinen Kinder aus dem Mittelmeer rettete, standen sie und die anderen Flüchtlingen bereits bis zur Hüfte im Wasser. "Der Motor des Schlepperbootes war auf der Fahrt von der türkischen Küste in Richtung Italien ausgefallen. Die Flüchtlinge konnten das eindringende Wasser nicht mehr aus dem Boot schöpfen, es war einfach zu viel. Sie trugen die Kinder auf den Schultern, damit sie nicht ertrinken", übersetzt Duran die Erzählung Qaders. Ein Frachtschiff wurde auf die Menschen aufmerksam und verständigte die Küstenwache. Warum er seine Heimat verlassen hat? Weil er endlich in Frieden und Freiheit leben wollte, antwortet  Qadar, in dem er vorsichtig Wort an Wort reiht. Noch beherrscht er die deutsche Sprache nur bruchstückhaft. "Uns steht noch eine Menge Arbeit bevor", sagt sein Chef, "aber wir werden das schaffen."

Tolerante Menschen

Kurden sind tolerante Menschen, sagt Duran. Auch in religiösen Fragen. Das wissen auch die Kämpfer des Islamischen Staates. Als sie Qaders Heimatstadt einnahmen, begannen sie, den Glauben der Einwohner zu prüfen. Im Visier hatten sie besonders die kurdische Bevölkerung. Die Männer mussten vorbeten. Wer ihnen nicht gläubig genug erschien, wurde getötet. Auch Qaders Schwager. "Sie haben ihn geköpft, ließen ihn einfach liegen und warteten ab, ob jemand seinen Leichnam holen würde", übersetzt Duran. Er blieb liegen, die Angst war zu groß. Und wurde noch verstärkt dadurch, dass Qader Englisch spricht und damit in den Verdacht geraten konnte, für ungläubige Mächte zu arbeiten. Der Familie blieb nur noch die Flucht.

Drittes Kind

Duran kann die Beweggründe für die Flucht Qaders nachvollziehen. Er war 14 Jahre alt, als seine Familie 1991 vor den politischen Unruhen und blutigen Kämpfen geflohen ist. In Koblenz besuchte er die Schule und absolvierte eine Kfz-Lehre. "Ich habe bis auf einen Monat immer gearbeitet", sagt er. Vor acht Jahren folgte er zusammen mit seiner deutschen Frau dem Lockruf seines Bruders nach Bayreuth und machte sich selbstständig. Eröffnete eine "Multi-Kulti-Werkstatt", wie er schmunzelnd sagt. Seine Mitarbeiter kommen aus Kasachstan, der Türkei und Deutschland. Und nun auch aus dem Irak. Zumindest die nächsten dreieinhalb Jahre. Solange dauert die Ausbildung von Qader. „Wir werden Zana in allem unterstützen, wo er Hilfe benötigt“, sagt Duran.Aber zusammen mit seinen Mitarbeitern werden sie es schaffen, ist er überzeugt, dass Qader schnell besser deutsch spricht und die Berufsschule erfolgreich absolviert. Schließlich habe man auch die vielen behördlichen Hürden erfolgreich überwunden, die einer Anstellung im Wege standen. Jetzt benötigt Qader, der sein berufliches Glück kaum fassen kann, nur noch eine größere Wohnung für seine Familie. Denn bald wird es noch enger in ihrem Zimmer: Das dritte Kind ist unterwegs.

Der Weg zur Lehrstelle

Udo Pfadenhauer ist höchst zufrieden: Der Sozialpädagoge betreut als Mitarbeiter der Handwerkskammer junge Flüchtlinge in Bamberg. Darunter 14 junge Menschen, die an drei Berufsschulen eine zweijährige schulische Ausbildung in Berufsintegrationsklassen absolviert haben. Sieben Männer hätten nun eine Berufsausbildung in Handwerksbetrieben begonnen, nämlich vier Bäckerlehrlinge, ein angehender Kfz-Mechatroniker und zwei Anlagenmechaniker. Ein Schüler absolviert in München eine Ausbildung zum Fliesenleger. Die Männer kommen aus Somalia, Sierra Leone und Afghanistan. „Wir hatten viele Anfragen von Betrieben aus dem Maler- und Lackiererhandwerk, dem Bauwesen und Bäckereien“, so Pfadenhauer, der mit dem Ergebnis sehr zufrieden ist. Die jungen Männer seien alle engagiert und motiviert, willig und bemüht, so der Betreuer, was sich auch in der großen Nachfrage von Betrieben, wo sie Praktika absolviert haben, niederschlägt.

In den Bayreuther Berufsschulen haben 19 junge Flüchtlinge das zweite Schuljahr, das Berufsintegrationsjahr, erfolgreich beendet, 14 mit Mittelschulabschluss, heißt es aus dem Beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (bfz) in Bayreuth, deren Mitarbeiter die Schüler ein Jahr lang betreut hat. Acht Schüler absolvieren nun eine assistierte Ausbildung. Fünf beginnen eine schulische Ausbildung zur Pflegefachhilfe, Altenpflege und Sozialbetreuer. Aber keiner der jungen Flüchtlinge – in Bayreuth leben momentan 50 unbegleitete junge Flüchtlinge – beginnt eine Lehre. Auf die Frage, wie viele junge Flüchtlinge in Bayreuth und der Region eine Ausbildung begonnen haben, müssen Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer (IHK) passen: keine Zahlen, aber Beteuerungen. „Die schnelle Integration jugendlicher Asylbewerber ist dem oberfränkischen Handwerk ein wichtiges Anliegen“, schreibt HWK-Geschäftsführer Rainer Beck.⋌gb

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