Kurz darauf hat Strübing im ersten Stock eines Hauses an der Sophien-straße Quartier bezogen. Ein kleiner Eingangsbereich mit Kochnische, ein Bad, ein kleines Zimmer mit Holzboden, eingerichtet mit Bett, Schrank, Regal und einem kleinen Tischchen. „Sehr gemütlich“, sagt Strübing. Was er noch nicht weiß: Die Sophienstraße ist für Streifzüge bestens gelegen. Das Leben in den Cafés, Kneipen und Kulturstätten der Innenstadt lässt sich von diesem Poetenstübchen aus vortrefflich erkunden. „Na, ich freu mich jedenfalls“, sagt der Berliner bei dieser guten Nachricht und grinst.
Strübings Mission für die nächsten fünf Monate: Als Auswärtiger einen Blick ins Bayreuther Innenleben zu werfen, und das durch die Brille von Jean Paul. Dessen 250. Geburtstag feiern Literaturfreunde allenthalben, auch Strübing äußert sich als Bewunderer. „Vielleicht bringe ich auch solche Satzungetüme zusammen. Ob sie dann auch so schön sind?“ Diese Frage stellt Strübing voller Respekt. Denn: „Jean Paul war ein herausragender Stilist.“
Strübing wird in Schulen lesen, vor allem aber wird er von seinen Erfahrungen in Bayreuth und bei der Lektüre von Jean Paul berichten, in seinem Blog „Bayreuther Tagebuch“. Schon seine Anreise hat er so dokumentiert, in einer witzigen Verschmelzung von Jean Pauls „Dr. Katzenbergers Badereise“ und eigenen Beobachtungen bei der Zugfahrt, erste Fingerübungen für die Herausforderung, Hauptakteur einer Premiere in Bayreuth Kulturleben zu sein.
„Ich hab ein bisschen Lampenfieber“, sagt Strübing, „auch wenn grad gar keine Lampen leuchten.“ Im Gegenteil, der Himmel ist wolkenverhangen, und der Schneematsch weckt trübe Erinnerungen an den letzten Bayreuthbesuch: „Ich hatte einen Bekannten in Nürnberg besucht und kam dann für einen Tagesausflug nach Bayreuth. Es lag richtig viel Matsch auf den Straßen, und mein Problem war: Mein Schuh hatte ein Loch in der Sohle.“
Diesmal ist Strübing besser ausgerüstet und „guter Dinge“, wie er sagt: „Schön wäre es, wenn am Ende die Bayreuther und ich gleichermaßen froh sind.“ Fränkisches Essen und Bier schätze er, sagt Strübing, auch mit der Mentalität sei er bislang klargekommen. Er kennt sie von Poetry-Slam-Auftritten in Franken. Auch in Bamberg und Bayreuth trat Strübing schon auf, unter anderem als Mitglieder der Berliner Lesebühne „LSD“ und als Gast der „Surfpoeten“. „Ob der Humor hier anders ist, weiß ich gar nicht“, sagt er, „oft sind das ja auch nur Klischees, die ich dann aufpumpen kann, bis sie richtig zum Lachen sind.“
Anfang Juli wird sein Aufenthalt in Oberfranken beendet sein, von den Festspielen wird Strübing nichts mitbekommen. Wagner sei für die nächsten Wochen nicht sein Hauptthema, gibt er zu, „vielleicht ändert sich das, wenn ich mir ,Apocalypse Now’“ ansehe“. Es kann natürlich sein, dass Strübing gar nicht dazu kommt, Coppolas legendären Vietnam-Film mit dem „Ritt der Walküren“ anzusehen. Denn sein Terminkalender dürfte prall gefüllt sein. Als Stadtschreiber wird er durch Bayreuth streifen, auch zur Rollwenzelei, der legendären Schreib-Einsiedelei Jean Pauls, werden ihn seine Spaziergänge führen.
Es gilt einen Blog zu schreiben, vor Schülern zu lesen, im März tritt Strübing in der Stadthalle auf. Außerdem locken die Landschaft – „sagenhaft schön, habe ich mir sagen lassen“ – , oberfränkische Spezialitäten – „gibt es hier nicht eine Ortschaft mit der höchsten Brauereidichte der Welt?“ – und natürlich die Kultur: „Ich komme nach Bayreuth, und schon am Donnerstag gibt’s ein Willkommenskonzert mit dem ,Fuck Hornisschen Orchestra’ – Klasse!“
INFO: Volker Strübing wurde anlässlich der Feiern zum 250. Geburtstag Jean Pauls von einer Jury aus einer Bewerberschar von über 20 Autoren als Stadtschreiber ausgewählt. Seinen Blog Bayreuther Tagebuch kann man im Internet verfolgen.