Bayreuth behindert: Das muss sich ändern

Von Katharina Wojczenko
"Guck mal die an, haben sie mir nachgerufen": Petra Eckstein (64) will Barrieren im Kopf einreißen. Und mehr Tiere in der Stadt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Was muss sich ändern, damit es Menschen in Bayreuth besser haben? Das hat der Kurier bei der Auftaktveranstaltung zum Aktionsplan Inklusion vier Bürger gefragt. Mit überraschenden Ergebnissen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Thomas Zeidler (48) ist Vorsitzender des Gehörlosenvereins:

Foto: Katharina Wojczenko

"Als Gehörloser werde ich immer ausgeschlossen. Ohne Gebärdendolmetscher kann ich mich nicht unterhalten. Das ist das Schlimmste, denn das trennt mich von anderen Menschen.

Es gibt den Online-Dolmetscherdienst Verba-Voice. Aber gerade bei Freizeitaktivitäten gibt es viel Verbesserungsbedarf. Museen sollten nicht nur Audio-Führer, sondern auch Video-Führer für Gehörlose anbieten, in denen in Gebärdensprache die Ausstellung erklärt wird. Im Schillermuseum in Gera gibt es das.

Das evangelische Bildungswerk bietet mindestens zwei Veranstaltungen im Jahr mit Dolmetscher an. Sonst muss ich bei Führungen wie ein Depp hinterherlaufen. Selbst auf der Landesgartenschau gab es keine in Gebärdensprache."

Was "Tochter" in Gebärdensprache heißt, sehen Sie hier.

Petra Eckstein (64) wohnt im Dr. Loew-Wohnheim:

Foto: Andreas Harbach

"Ich bin psychisch behindert und am Knie operiert. Ich werde leicht nervös, Menschenmengen machen mir Angst. In vollen Bussen bekomme ich Platzangst. Deshalb hilft es mir, wenn es nicht so hektisch und voll ist. Und ich liebe Tiere, wie am Röhrensee. Es sollten viel mehr Tiere in der Stadt sein.

Ich habe heute bei der Arbeitsgruppe "Barrierefreiheit im Kopf" mitgemacht. Beim Sprechen habe ich Probleme. Ich traue mich oft nicht, rauszugehen. Ich wurde schon oft ausgelacht. "Guck mal die an", haben sie gerufen und nachgemacht, wie ich laufe. Das tut mir weh innerlich."

Sabine Mahr (60) sitzt seit einem Unfall vor zwei Jahren im Elektrorollstuhl:

Foto: Andreas Harbach

"Ich habe der Stadt schon einige Vorschläge gemacht. Aus Kostengründen wurden sie aber alle abgelehnt. Ich wohne in der Schleife der Jean-Paul-Straße. Weil dies eine Straße untergeordneter Kategorie ist, wird dort der Gehweg nicht richtig geräumt und gestreut, sondern nur in Schneeschaufel-Breite. Da passt mein Rollstuhl nicht durch, das ist gefährlich. Zum Glück war der letzte Winter mild. Aber wenn es heuer schneit, will ich nicht wochenlang daheim bleiben."

Susanne Scharnagl (55) ist Projektmanagerin und betreut seit Jahren ihren ehemaligen Nachbarn, der geistig und mittlerweile auch körperlich behindert ist:

Foto: Katharina Wojczenko

"Ich finde es wichtig, aktiv zu werden. Den "Aktionsplan Inklusion" sollten wir nicht nur für Menschen mit Handicap konzipieren. Wir müssen gerade die erreichen, die heute nicht da sind -  Menschen ohne Behinderung, Behörden, Institutionen.

Es geht um eine dauerhafte Veränderung. Das ist, wie in einem Unternehmen Strukturen zu ändern. Dazu müssen Rahmenbedingungen beachtet und Prioritäten gesetzt werden. Das muss man professionell managen.

Es fehlen mir Analyse, Zahlen. Zum Beispiel, wie hoch der Bedarf in Bayreuth und im Landkreis ist, wie viele Menschen von einer bestimmten Maßnahme profitieren würden. Dazu gibt es sicher bereits Ansätze, das muss Bayreuth nicht neu erfinden.

Und ich kann nicht geistig Behinderte mit anderen Behinderten über einen Kamm scheren. Sie brauchen ganz andere Hilfe."

Mehr zum Thema:

Bayreuth will Barrieren abbauen: So war die Auftaktveranstaltung

Bilder