Baustellen-Mord: Kein Hass und Missbrauch

Von Manfred Scherer
Der Angeklagte Adrian O. (2. v l), links daneben sein polnischer Verteidiger Jacek Franek, dazu die Dolmetscherin Barbara Sabarth und ganz rechts der deutsche Verteidiger Wolfgang Schwemmer. Foto: Manfred Scherer Foto: red

Nachtsitzung im Prozess um den Bayreuther Baustellenmord. Über mehrere Stunden hinweg hat der 27-jährige Angeklagte Fragen zur Bluttat im Februar beantwortet. Dabei bestritt er ein Hass- und Rachemotiv und betonte mehrfach, dass er entgegen einer ersten Aussage bei der Polizei nicht von dem Opfer sexuell missbraucht worden sei. Ein zentraler Zeuge sagt aus, dass sich der Angeklagte um den Zustand des Opfers Sorgen machte.

 
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Der polnische Bauarbeiter ist, wie mehrfach berichtet, wegen einer besonders grausam anmutenden Tat angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 8. Februar seinen 43-jährigen Arbeitskollegen Roman Z. brutal geprügelt und gepfählt zu haben. Das Opfer verblutete. Die Anklage geht davon aus, dass Adrian O. den Schwerverletzten wissentlich sterben ließ.

Vielleicht "ein bisschen geschlagen"

Das bestreitet der Angeklagte. Er sei davon ausgegangen, dass Roman Z. am Folgetag „normal“ wieder zur Arbeit aufwachen werde – vielleicht „ein bisschen geschlagen“.

Pfählen für den Angeklagten "Erniedrigung"

Die Befragung des Angeklagten drehte sich zunächst um die mögliche Motivlage. Bei der Polizei hatte Adrian O. angegeben, er habe Roman Z. eine „Lektion“ erteilen wollen, weil der versucht habe, ihn mit einem Gegenstand zu vergewaltigen. Dass er gleichsam den Spieß umgedreht habe, um Roman Z. zu zeigen, „wie das ist“, hatte er bald nach seiner ersten Vernehmung widerrufen. Auch im Prozess sagte er , er könne nicht erklären, warum er Roman Z. gepfählt habe. Auf die Frage des Psychiaters Thomas Wenske, was eine solche Pfählung für ein Opfer bedeute, sagte er: „Erniedrigung“.

Das Opfer war nur mit einem Unterhemd bekleidet

Keine schlüssige Erklärung konnte Adrian O. für bestimmte äußere Umstände geben. Etwa, warum Roman Z. bei der Tat lediglich ein Unterhemd trug. Oder warum im 1. Stock des Rohbaus in der Rathstraße, wo der Angeklagte und der später Getötete nächtigten, in drei Zimmern sehr viel Blut war. „Wir haben uns geprügelt“, behauptete der Angeklagte zunächst, um danach einzugestehen, dass er von Roman Z. lediglich einen Schlag versetzt bekommen habe. Dass er Fotos des Opfers aufgenommen hatte und einen Teil der Tat mit seinem Smartphone gefilmt hatte, erklärte der Angeklagte so: Roman Z. sei ein unangenehmer, fieser Chef gewesen und „ich wollte etwas in der Hand haben, damit er sich künftig anders benimmt.“

Ein Zeuge sagt gegen die Schutzbehauptung aus

Unterstellt, dass dies stimmt, hätte Adrian O. die Erwartung gehegt, dass Roman Z. tags darauf wieder lebendig aus dem Bett aufstehen würde.

Es könnte aber auch eine Schutzbehauptung sein. Am frühen Mittwochabend vernahm das Gericht nämlich einen Zeugen aus Polen, der bis kurz vor der Tat auf der Baustelle in der Rathstraße mitgearbeitet hatte. Am Nachmittag des Tattages, also vermutlich während des mutmaßlich mehrstündigen Tatgeschehens, telefonierte dieser Zeuge dreimal mit Adrian O. Zunächst habe der Angeklagte berichtet, er habe Roman Z. „geschlagen“ und ihn mit einem Spatenstiel gepfählt.

"Prüfe nach, ob er noch atmet"

Der Zeuge aus Polen sagte vor Gericht aus: „Ich dachte, dass das ein dummer Scherz ist.“ Dann habe Adrian O. ihm berichtet: „Vielleicht lebt er nicht mehr.“ Der Zeuge weiter: „Er sagte, dass er nicht atmet.“ Der Zeuge forderte den Angeklagten auf, nachzuprüfen, ob Roman Z. noch lebe: „Schau, ob er noch atmet und melde das dem Rettungsdienst.“ Adrian O. befolgte dies offenbar, denn der Zeuge hörte ihn am Telefon sagen: „Aha, er atmet.“ Und danach hörte der Zeuge die Stimme von Roman Z., der sagte: „Deck mich zu, mir ist kalt.“

Ein Indiz, das für Tötungsvorsatz sprechen könnte

Die drei Telefonate waren zwischen 15.27 und 17.47 Uhr. Der Schilderung des Zeugen zufolge hat sich Adrian O. Sorgen um den Gesundheitszustand von Roman Z. gemacht. Ein gewichtiges Indiz, dass er den Tod des Schwerverletzten für möglich gehalten haben könnte. Das wäre dann zumindest bedingter Tötungsvorsatz. Denn den Rettungsdienst alarmierte Adrian O. nicht. Auch wenn er behauptet, die deutsche Notrufnummern nicht zu kennen – die Polizeiinspektion Bayreuth ist Luftlinie nur wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt.

Auch der Gutachter tut sich beim Motiv schwer

Psychiater Thomas Wenske attestierte Adrian O. volle Schuldfähigkeit. Vor allem die Zeitdauer der Tat und das vom Angeklagten selbst aufgenommene Smartphonevideo von Teilen der Tat spreche gegen eine Affekttat oder gegen die vom Angeklagten behauptete Alkoholisierung. Zum möglichen Motiv sagte Wenske: „Schwierig zu erklären.“ Verteidiger Wolfgang Schwemmer griff am Mittwochabend nach dem letzten Strohhalm: Er will Adrian O.’s damalige Freundin aus Polen als Zeugin hören. Sie habe während und nach der Tat mit dem Angeklagten telefoniert.

Das Schwurgericht verhandelte fast bis 20 Uhr am Mittwochabend. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

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