BAT: Wo der Rotstift ansetzt

Von Katharina Wojczenko
Archivfoto: Ronald Wittek Foto: red

Da das Unternehmen British American Tobacco 950 der 1.400 Bayreuther Arbeitsplätze nach Osteuropa verlagert, hat die Stadt ein Problem: Ihr bricht ein Großteil der Gewerbesteuer weg. Was tun? Das fragen die Fraktionsvorsitzenden Thomas Bauske (SPD) und Thomas Hacker (FDP) und stellten einen Antrag. Sie wollten konkrete Maßnahmen erfahren. Finanzreferent Michael Rubenbauer hat im Ferienausschuss erste Spar-Ideen vorgestellt.

 
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Das Problem: Zuletzt hat die Stadt Bayreuth von BAT 15 Millionen Euro Gewerbesteuer erhalten. Diese richtet sich auch nach der Zahl der Mitarbeiter. Hinzu kommt: Die Regierung von Oberfranken hat der Stadt auferlegt, für den Haushalt 2017 ein Haushaltskonsolidierungskonzept vorzulegen. Das ist das erste Mal, sagt Pressesprecher Joachim Oppold. Aufgabe der Verwaltung sei, für den kommenden Haushalt intern 2,6 Millionen Euro einzusparen.

Alle Referate wurden aufgefordert, Sparmöglichkeiten zu melden, sagt Rubenbauer. Fast komplett ausgenommen waren nur das Sozial-, Versicherungs- und Wohnungsamt sowie das Jugendamt - alle im Sozialreferat angesiedelt. Das war allerdings bevor die Entscheidung der BAT bekannt wurde.

Damit rechnet die Kämmerei: Niemand könne derzeit sicher sagen, wie sich die Gewerbesteuerzahlungen der BAT entwickelten, sagt Rubenbauer. Ende Juli hat sein Referat aber Szenarien berechnet. Demnach müsse die Stadt für den Haushalt 2017 mit einem Einbruch von 50 Prozent rechnen. Ab dem Finanzjahr 2018 falle die Gewerbesteuer komplett weg.

Zwar würden die Schlüsselzuweisungen des Freistaats diesen Einbruch mildern. Doch wirkt sich deren Erhöhung immer erst zwei Jahre später aus - also frühestens ab dem Haushalt 2019. Das bedeute: Wenn die Sparvorgaben aus dem Rundschreiben an die Referate strikt eingehalten werden, wäre der Haushalt 2017 "möglicherweise" noch genehmungsfähig, sagt Rubenbauer.

Eine Nettoverschuldung lasse sich aber wohl nicht vermeiden - und zwar selbst dann, wenn die Stadt die Senkung der Grund- und Gewerbesteuer zurücknimmt und aufs Niveau vor diesem Jahr zurückkehrt. Rubenbauer schlägt folgende Maßnahmen vor, über die der Stadtrat in den Haushaltsberatungen reden sollte:

1. Investitionen aufschieben: Er rät den Stadträten, ihre Prioritäten bei den geplanten und beschlossenen Investitionen zu überdenken. Es geht darum, welche Ausgaben "zeitlich zum Teil erheblich geschoben werden sollen". Mit Pauschalkürzungen lasse sich nicht genug Geld einsparen. 

2. Freiwillige Leistungen kürzen: Auch hier soll der Stadtrat mit dem Rotstift ran, sagt Rubenbauer. Und an "Leistungen in anderen Bereichen". Bayreuther Vereine und Organisation könnten also bald schwerer an Zuschüsse kommen. Auch über eine Beschränkung auf die Pflichtausgaben sollten die Räte reden, sagt Rubenbauer.

3. Verlustbringer verkaufen: Einrichtungen, die Verluste bringen, sollte die Stadt veräußern. Beispiele nannte Rubenbauer nicht.

5. Schulen verstaatlichen: Die Stadt will erneut versuchen, ihre städtischen Schulen an den Freistaat loszuwerden. Ein Schreiben an die Staatsregierung ist schon abgeschickt, ergänzte Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe. Zuletzt gab die Stadt für das Personal am Wirtschaftsgymnasium und der Wirtschaftsschule etwa 4,5 Millionen Euro aus. (siehe Kasten)

6. Grund- und Gewerbesteuer erhöhen: auch wenn das - siehe oben - nicht ausreicht.

6. Freistaat zur Kasse bitten: Die Stadt führe mit der Staatsregierung derzeit "intensive Gespräche". Es geht darum, ob der Freistaat Bayreuth bei Investitionen und Strukturmaßnahmen unterstützt.

Reaktionen:

Thomas Hacker (FDP) will nicht erst bei den Haushaltsberatungen über die Maßnahmen reden. "Wir sollten das aktiv im Stadtrat und nicht nur verwaltungsintern besprechen." Er appellierte an die Verwaltung, das Gremium frühzeitig einzubinden. Dem stimmt Thomas Bauske (SPD) zu. Michael Hohl (CSU) rät, sich beim Sparen "nicht nur auf die freiwilligen Leistungen zu fokussieren". Das seien Eurobeträge. "Wir haben ganz andere Themen."

Hintergrund: WWG und Wirtschaftsschule - So geht Verstaatlichung

1970 hat die Stadt Bayreuth zwei Schulen ohne Beteiligung des Freistaats errichtet, weil dieser keinen Bedarf sah: die Wirtschaftsschule und das Wirtschaftswissenschaftliche Gymnasium (WWG). Wie bei allen Schulen kommt für den Sachaufwand die Stadt auf. Bei den städtischen Schulen muss sie auch das Personal bezahlen. "Der Freistaat bezuschusst das aber zu 60 Prozent, weil die Stadt eine staatliche Aufgabe übernimmt", erläutert Schulamtsleiter Günther Weber.

Kommunale Schulen seien die Ausnahme. Seiner Meinung stehen die Chancen sehr gut, dass der Freistaat die komplette Verantwortung für beide Schulen übernimmt. Eine Verpflichtung gibt es nicht: "Die Stadt ist auf den guten Willen und die Finanzkraft des Freistaats angewiesen."

Und genau das macht das Kultusministerium auf Kurier-Anfrage deutlich. "Es sind seit Langem keine Verstaatlichungen kommunaler Schulen mehr erfolgt", sagt eine Sprecherin. Dafür bräuchte es eine Entscheidung des Landtags. Das Ministerium rät von einer Verstaatlichung von Schulen ab. Der "finanzielle Kraftakt, den die Verstaatlichung kommunaler Schulen erfordern würde", sei "nicht darstellbar". Dem Freistaat lägen aktuell 120 Anträge auf die Verstaatlichung kommunaler Schulen vor. Und für alle diese Schulen müsste der Freistaat dann die gesamten Kosten übernehmen.

Und wenn dieser nicht will? Dass man in München zusieht, wie Bayreuth Schulen aus Geldmangel schließt und die Schüler auf andere Schulen verteilt, ist für Weber ein absolut unrealistisches Szenario. "Das WWG ist ein Erfolgsmodell und mittlerweile das größte Bayreuther Gymnasium", sagt Weber. "Es an ein anderes anzugliedern, ist undenkbar." Auch wenn es einen wirtschaftswissenschaftlichen Zweig seit kurzem auch am RWG gebe. Die Wirtschaftsschule habe erst kürzlich einen Anbau bekommen. "Das macht deutlich, dass man sie auf Dauer etablieren will." (woj/sw)

 

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