Herr Starke, Sie hatten sich bislang immer positiv über das neue Rückführungszentrum für Balkan-Flüchtlinge in Bamberg geäußert, woher kommt jetzt der Meinungsumschwung?
Für großes öffentliches Aufsehen hat der Appell des Bamberger Oberbürgermeisters Andreas Starke (SPD) an Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel gesorgt. Er wehrt sich gegen eine geplante Zuweisung von weiteren 5000 Flüchtlingen. Wir fragten Starke nach seinen Gründen.
Herr Starke, Sie hatten sich bislang immer positiv über das neue Rückführungszentrum für Balkan-Flüchtlinge in Bamberg geäußert, woher kommt jetzt der Meinungsumschwung?
Andreas Starke: Das ist kein Meinungsumschwung. Wer Hilfe sucht, bekommt sie auch. Derzeit haben wir in Bamberg 650 Asylbewerber und knapp 100 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Hinzu kommen 1500 Asylbewerber im Rückführungszentrum für Balkan-Flüchtlinge. Insgesamt sind das rund 2200 Flüchtlinge, die wir unterbringen und versorgen müssen. Bamberg nimmt damit mehr Menschen auf als andere Städte. Wenn 5000 weitere Flüchtlinge hinzukämen, wäre das insgesamt ein Anteil von rund zehn Prozent der Einwohnerzahl Bambergs. Eine solche Quote kann eine Stadt nicht verkraften, man darf Bamberg nicht überfordern.
Wie sind die Reaktionen auf ihren Vorstoß?
Starke: Durchweg positiv. Die Bevölkerung ist stark verunsichert, weil die Leistungsfähigkeit überstrapaziert werden könnte. Wir haben bisher eine große Welle der Solidarität mit den Flüchtlingen, sollten aber darauf achten, dass diese nicht verloren geht.
Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung beim Thema Flüchtlinge?
Starke: Sie ist geprägt von großer Hilfsbereitschaft, von Verständnis und Solidarität. Die Zusammenarbeit von Behörden, Wohlfahrtsverbänden und Ehrenamtlichen klappt hervorragend. Ich erfahre viel Zuspruch für meine Warnungen an die Bundeskanzlerin und den bayerischen Ministerpräsidenten, einzelne Städte nicht über Gebühr zu belasten. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge.
Fürchten Sie nicht, dass Sie mit der Ablehnung Beifall von der rechtsextremen Seite bekommen?
Starke: Der Nährboden für Rechtsextremismus ist immer dann da, wenn die Bevölkerung das Gefühl der ungerechten Lastenverteilung hat. Wir entziehen dem Nährboden die Ursache, wenn wir für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge eintreten.
Wo sollen die 5000 Menschen hin, wenn Sie nicht nach Bamberg kommen können?
Starke: Ich kenne keine Planungen, bislang ist die Stadt an dem Verfahren nicht beteiligt worden. Wir wurden auch nicht um eine Stellungnahme gebeten. Was die angeblichen Pläne angeht, kennen wir nur entsprechende Meldungen aus den Medien. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller hat gesagt, dass es eine bundesweite Untersuchung für neue Unterbringungsstandorte gibt, aber noch keine Entscheidung gefallen ist. Ich befinde mich derzeit in einer Gerüchteküche.
Grundsätzlich würden sich leerstehende Kasernen mit guter Infrastruktur doch gut für eine Flüchtlingsunterkunft eignen.
Starke: Das sehe ich auch so. Die Kapazitäten gibt es in Bamberg, sie stehen zur Verfügung. Auf dem Konversionsgelände befinden sich Räume für die 1500 Menschen des Rückführungszentrums für Balkan-Flüchtlinge. Das Zentrum wäre ohne bereitwillige Unterstützung der Stadt nicht zustande gekommen. Wir haben damit zwei Ziele erreicht: Die Konversion wurde beschleunigt und der Weg für bezahlbaren Wohnraum für Bamberger Bürger freigemacht. Ein früheres Kasernenareal gelangte vorzeitig in das Eigentum der Stadt. Ab Februar 2016 können dort 45 Wohnungen angeboten werden, ab Jahresmitte 2016 mehr als 100 Wohnungen.
Fühlen Sie sich bei der Unterbringung von Bund und Land in Stich gelassen?
Starke: Wir arbeiten sehr eng mit der bayerischen Staatsregierung zusammen. Sie hat uns zugesichert, dass neben dem Rückführungszentrum für Balkan-Flüchtlinge keine weitere Zuweisung erfolgt. Wir vertrauen weiterhin auf dieses Wort. Vom Bund sind wir enttäuscht, unsere Stadt wurde übergangen. Die fehlende Informationspolitik ist ein ganz schlechter Stil. Ich erwarte, dass der Bund begreift, dass wir eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu erledigen haben. Bund, Land und Kommunen müssen die Unterbringung mit Kopf, Herz und Verstand gemeinsam anpacken.
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