Kammern und Ausländerbehörden der Region vereinbaren mehr Rechtssicherheit Ausbildungspakt für Flüchtlinge

Von
Hannah Knott (Mitte) ist Deutschlands beste Gesellin bei den Orthopädie-Schuhmachern (wir berichteten). Dafür wurde sie bei der Vollversammlung der Handwerkskammer von Präsident Thomas Zimmer (links) und Hauptgeschäftsführer Thomas Koller geehrt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Fachkräfte- und Nachwuchsmangel werden für Oberfrankens Wirtschaft und vor allem auch für das Handwerk zum zunehmenden Problem. Handwerkskammerpräsident Thomas Zimmer will deshalb vermehrt auf Flüchtlinge zugehen, um ihnen eine Ausbildung im Handwerk zu ermöglichen, fordert im Gegenzug aber Rechtssicherheit für die Unternehmen. Und die soll nun eine Art Pakt zwischen Wirtschaft und Ausländerbehörden bringen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Ausreichende Sprachkenntnisse, und wenn diese vorhanden oder erlernt sind ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz - das ist für Zimmer unabdingbar, um bereits anerkannte Asylbewerber und Geduldete mit hoher Bleibeperspektive in Deutschland zu integrieren. Bislang gab es für Unternehmen aber ein Problem: Sie konnten sich nicht sicher sein, ob ein Flüchtling nicht doch während einer Lehre oder spätestens nach deren Abschluss abgeschoben wird - in beiden Fällen ein schwerer Schlag für Firmen wie Flüchtlinge.

Dem soll nun eine Art Pakt zwischen den Wirtschaftskammern und den örtlichen Ausländerbehörden abhelfen, so Zimmer am Montag vor der Vollversammlung der Handwerkskammer (HWK). Demnach unterzeichnen die oberfränkischen Industrie- und Handelskammern, die HWK und die Behörden nach und nach vor Ort Vereinbarungen, die regeln, dass ein Flüchtling seine Ausbildung in jedem Fall beenden und auch anschließend in Deutschland bleiben darf, wenn er eine Stelle im erlernten Beruf antritt. Die Ausländerbehörden würden sich dabei verpflichten, den ihnen zustehenden Ermessensspielraum voll auszuschöpfen - für den 15. Dezember etwa ist die Unterzeichnung in Bayreuth vorgesehen. Damit gehe man in Oberfranken sogar einen Schritt weiter, als es die Forderung nach der sogenannten 3+2-Regelung mit Sicherheit für eine dreijährige Lehrzeit plus zwei weitere Jahre vorsieht, so Zimmer: "Das ist bundesweit einmalig."

Zugleich warnte Zimmer davor, für Flüchtlinge die Standards der Berufsausbildung zu senken, für sie Teilqualifikationen zu schaffen. Das helfe niemandem: "Wir müssen aufpassen, dass so nicht ein Heer von Geringqualifizierten entsteht." Zugleich betonte Zimmer, dass das Handwerk zur Lösung seiner Nachwuchsprobleme weiterhin in alle Richtungen aktiv bleiben müsse - von Mittelschulabsolventen bis hin zu Abiturienten oder Hochschulabbrechern habe man jedem etwas zu bieten. Derzeit seien bei der HWK-Lehrstellenbörse immer noch mehr als 600 unbesetzte Lehrstellen gemeldet.

Grundsätzlich seien Lage und Aussichten für das Handwerk derzeit gut. 90 Prozent der Betriebe bezeichneten ihre Lage in der aktuellen Konjunkturumfrage der HWK als gut oder befriedigend. Die Kammer rechne deshalb für das Gesamtjahr 2015 mit einem Umsatzplus der oberfränkischen Betriebe von  1,5 Prozent.

Der HWK-Haushalt

33,6 Millionen Euro beträgt das Haushaltsvolumen der Handwerkskammer (HWK) für 2016, das sind 1,1 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr. 32,5 Millionen Euro entfallen auf den Verwaltungshaushalt, rund 1,1 Millionen sind für Investitionen vor allem in die ergänzende Ausstattung der HWK-Bildungszentren (928.000 Euro) sowie deren bauliche Modernisierung (128.000 Euro) vorgesehen. Hierbei ist die Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 100.000 Euro eingeplant.

72 Prozent der Ausgaben des Verwaltungshaushaltes fließen in den Bereich der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung, so Hauptgeschäftsführer Thomas Koller in seiner Haushaltsrede vor den Mitgliedern der Vollversammlung. Den größten Einzelposten machen mit knapp zwölf Millionen Euro die Personalkosten aus. Auf die klassische Kammerverwaltung entfallen 1,17 Millionen Euro.

Ihre Einnahmen erzielt die Kammer laut Plan zu 51 Prozent aus selbst erwirtschafteten Gebühren vor allem im Bildungsbereich, zwölf Prozent sind zweckgebundene staatliche Zuschüsse. Der Rest sind die Kammerbeiträge der Mitgliedsunternehmen, die sich laut Beschluss der Vollversammlung im kommenden Jahr nicht erhöhen.

Erstmals seit 2003, so Koller, werden dagegen die Grundgebühren für die Meisterkurse angehoben, und zwar um gut sieben Prozent. Zugleich rechnet die Kammer damit, im kommenden Jahr 470.000 Euro Meisterbonus an die erfolgreichen Absolventen durchzureichen.

Ehrung

Im Rahmen der Vollversammlung wurde der Ende Februar aus dem Amt scheidende Regierungspräsident Wilhelm Wenning mit der Goldenen Ehrennadel des oberfränkischen Handwerks ausgezeichnet, um das er sich "in herausragender Weise verdient gemacht" habe, wie es in Zimmers  Laudatio hieß. Wenning sah's locker und entgegnete: "Hat man so eine Auszeichnung wirklich verdient oder nicht? Ich mach' mir darüber jetzt mal keine Gedanken. Ich hab' sie jedenfalls gekriegt."

Autor