Fotos lügen Aufnahmen von Liselotte Strelow im Neuen Rathaus

Moritz Mihm
 Foto: red

Liselotte Strelow hatte alle vor der Kamera, die in der jungen Bundesrepublik Rang und Namen hatten: Kurt Schumacher und Theodor Heuss, den jungen Johannes Heesters, Joseph Beuys, Hermann Hesse und Thomas Mann.

 
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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie zur bedeutendsten deutschen Fotografin der 50er und 60er Jahre, der Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders. In Bayreuth dokumentierte sie mit ihrer Kamera die legendären Inszenierungen Wieland Wagners am Festspielhaus. Am Mittwochabend ist die Ausstellung „Liselotte Strelow: Retrospektive 1908–1981“ mit Fotos „der Strelow“ – wie sie sich nennen ließ – im Foyer des Neuen Rathauses eröffnet worden.

Chronistin des Bürgertums

Zur Eröffnung sprachen neben Bürgermeisterin Beate Kuhn auch Marina von Assel sowie der eigens angereiste Kurator Prof. Klaus Honnef. Sie erklärten die Bedeutung der Fotos: „Liselotte Strelow war nicht einfach nur Fotografin. Sie war die Chronistin der jungen Bonner Republik“, sagte von Assel und Honnef ergänzte „Wer etwas auf sich hielt, musste von Liselotte Strelow fotografiert werden. Ihre Fotos sind Zeugnis einer grandiosen Epoche des Bürgertums.“ Dieses Bürgertum steht im Mittelpunkt der Ausstellung.

Man erfährt wenig über die Fotografin: Sie selbst ist auf keinem einzigen Bild zu sehen. Im Zentrum stehen ihre Fotos, die in einfachen Rahmen aus hellem Holz an den Wänden hängen. Diese Fotos sind bemerkenswert, denn sie sind eben keine Momentaufnahmen, sondern eine Charakterstudie aus der Perspektive der Fotografin.

Das macht die Ausstellung zu mehr als nur einer Ansammlung beliebiger Porträts: Sie ist ein Spiegel des politischen und kulturellen Lebens der jungen Bonner Republik. Dazu gehört auch eine Auswahl an Bildern der Wagner-Festspiele aus den späten 50er und frühen 60er Jahren.

Ganz nebenbei kann der Besucher auch einiges über die Kunst der Manipulation lernen: „Die Strelow hat sich selbst als Regisseurin verstanden. Und Regie bedeutet die Ausschaltung des Willkürlichen“, sagte von Assel. Ein Beispiel dafür ist ein berühmtes, ausdrucksstarkes Porträt Marlene Dietrichs. Neben dem Bild hängen Negative mit überraschend mittelmäßigen Aufnahmen der Diva. Sie führen vor Augen, dass Strelows Fotos nicht nur von der Aufnahme leben, sondern dass ihr Potenzial in dem liegt, was die Fotografin aus den Bildern macht, um ihre Objekte zu charakterisieren. „Fotos lügen“, sagte die Strelow selbst.

Foto: Harbach