Lehramtsstudentin Lisa Hain zieht ernüchternde Bilanz: Geschichte wird bewusst verdrängt Auf den Spuren der KZ-Außenlager

Von Peter Engelbrecht
Lisa Hain mit ihrer Zulassungsarbeit. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Mit einem dunklen Kapitel regionaler Zeitgeschichte beschäftigte sich die Kulmbacher Lehramtsstudentin Lisa Hain. Sie untersuchte in ihrer Zulassungsarbeit die Form der Erinnerung in den fünf oberfränkischen Orten, an denen sich während der NS-Zeit Außenlager des KZ Flossenbürg befanden. Ihr Fazit ist ernüchternd. 

 
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Die 23-jährige Verfasserin spricht von einer bewussten Verdrängung der Geschichte. Das öffentliche Gespräch sollte sich möglichst nicht um die ehemaligen Lager drehen, gibt sie die Grundstimmung wieder. Doch ein solcher Umgang mit der Geschichte schade letztendlich den einzelnen Orten. So habe Pottenstein des Öfteren negative Presse wegen der dort betriebenen Verehrung des  früheren Höhlenforschers und SS-Standartenführers Hans Brand erlebt, der für die Errichtung des örtlichen KZ-Außenlagers verantwortlich war. Heute sei die Geschichte des Lagers zwar weitgehend bekannt, werde aber „bequemerweise lieber verdrängt“. Nach wie vor enthalte der kurze geschichtliche Abriss zur Erschließung der Teufelshöhle keinen Hinweis auf den späteren Ausbau der Höhle in Randbereichen durch KZ-Häftlinge. Im Kassenhäuschen zur Teufelshöhle hänge noch immer ein Porträt von Hans Brand, „den man als Erschließer der Höhle ehrt“.

Geheime Lenkwaffenforschung

An das Außenlager Bayreuth auf dem früheren Gelände der Neuen Baumwollspinnerei erinnert ein Gedenkstein nahe des viel befahrenen Nordrings. Der Physiker Werner Rambauske war ziviler Leiter der geheimen Lenkwaffenforschung, die unter Zwangsarbeit von KZ-Gefangenen durchgeführt wurde. Rambauske gelangte in einer geheimen Aktion mit Wissen von US-Regierungsstellen 1947 in die USA, um dort weiter für die Luftwaffe zu forschen. Der Physiker, der von der Arbeit der KZ-Gefangenen profitierte, musste sich in den USA nie dafür verantworten. Die Sieger hätten nicht zur Bestrafung der Täter beigetragen, wertete Lisa Hain diesen Fall. Ihr Fazit: Bayreuth profitiere als Wagner-Stadt vom Tourismus, Besucher würden nicht im Geringsten über die Lagervergangenheit der Stadt aufgeklärt.    

Nichts bekannt  

Beim früheren Außenlager Hof-Moschendorf fänden keinerlei Bemühungen zur Aufarbeitung der Geschichte statt, so die Recherchen. Dort gebe es keine Gedenkzeichen, keine Information für die Öffentlichkeit und kein bürgerschaftliches Engagement für ein Erinnern an das geschehene Unrecht. Die damaligen Ereignisse würden „ausgeblendet“. In Erinnerung geblieben sei nur das nach Kriegsende errichtete Durchgangslager für Flüchtlinge und Heimatvertriebene in Hof-Moschendorf. Letztendlich scheine „die absolute Verdrängung der Geschichte“ in Hof gelungen zu sein, lautet ihr Fazit:  Weder bei der Israelitischen Kultusgemeinde in Hof noch im Büro des Hofer Oberbürgermeisters sei die Existenz des früheren Außenlagers mit etwa 100 Häftlingen in einer stillgelegten Porzellanfabrik bekannt gewesen.

"Unrecht vor unserer Haustüre"

Die angehende Gymnasiallehrerin kam durch Zufall auf das Thema ihrer Arbeit mit dem Titel „Der Schein der Normalität - Formen der Erinnerung an ehemalige Außenlager des KZ Flossenbürg“. Die gut 100 Seiten starke Abhandlung wurde von Prof. Bert Freyberger von der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg betreut. Lisa Hain hatte gelesen, dass es auch in der  Region KZ-Außenlager gab, hatte aber nie etwas davon in Schule und Universität gehört. Bei den Recherchen in Bayreuth, Gundelsdort, Helmbrechts und Pottenstein sei sie bis auf Hof-Moschendorf durchwegs auf Interesse gestoßen. „Das waren Leute, die sich ohnehin für dieses Thema interessiert und engagiert haben“, berichtet sie. Rund ein halbes Jahr arbeitete sie an der wissenschaftlichen Untersuchung, mehr als sieben Seiten waren notwendig, um alle Quellen aufzulisten. „Das Unrecht hat sich hier vor unserer Haustüre abgespielt“, sagt sie zu ihrer Motivation. Lisa Hain spricht sich dafür aus, an den einzelnen Orten stärker an die grausamen Geschehnisse zu erinnern. Und sie zitiert den früheren Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit seiner Rede vom 8. Mai 1985: „Wer sich der Vergangenheit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“

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