Die Verlockungen für 16-Jährige
Ein 16-Jähriger werde jedoch wie nie zuvor vom Lernen weggelockt. Liewald sagt: "Vor 30 Jahren hatten wir nur drei TV-Programme, und nachmittags um 15 Uhr begann das Telekolleg. Heute haben wir 400 Fernsehprogramme und wenn wir den Kindern sagen, sie sollten nicht so viel fernsehen, dann weichen sie auf X-Box und Handy aus." Auf dem Dorf schaue noch die Oma nach den Hausaufgaben, in der Stadt seien die Schüler oft auf sich allein gestellt.
Die Ablenkungsmöglichkeiten seien gigantisch. Die jungen Menschen hätten es sehr schwer, einen roten Faden in ihrem Leben zu finden. Früher seien vielleicht drei Berufe für sie in Frage gekommen, heute 350 Berufe.
DGB: Hauptschüler außen vor
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert, von den aktuell rund 43 900 offenenen Ausbildungsplätzen auf der bundesweiten IHK-Lehrstellenbörse seien nur etwa 16 800 für Hauptschulabsolventen offen. Damit blieben viele Hauptschüler im Abseits - trotz des häufig beklagten Fachkräftemangels. "Sie setzen vielfach immer noch auf eine Bestenauslese", wirft der DGB den Ausbildungsbetrieben vor.
Hauptschüler seien von 61,2 Prozent der freien Lehrstellen der IHK-Onlinebörse faktisch ausgeschlossen. Bei Bank- und Büroberufen gehe die Chance von Hauptschulabsolventen sogar gegen Null. Zudem seien Hauptschüler bei 85,4 Prozent der derzeit gesuchten Mechatronker-Stellen außen vor. Sogar Branchen wie Hotel und Gastronomie schlössen Bewerber mit Hauptschulabschluss oft von vornherein aus. Das sei bei 60,5 Prozent der angebotenen Plätze für angehende Hotelfachkräfte der Fall sowie für 31,1 Prozent der Lehrstellen für Köche.
Kultusministerium: Gute Chancen für Mittelschüler
Bayerische Mittelschulabsolventen hätten gute Chancen auf dem Ausbildungsmarkt, sagt der Sprecher des bayerischen Kultusministeriums, Ludwig Unger, zur DGB-Studie. Die Lage der Mittelschul-Absolventen in Bayern dürfe nicht 1 : 1 mit der Situation von Hauptschul-Absolventen in Deutschland verglichen werden.
In Bayern sei die Hauptschule in den vergangenen Jahren zur Mittelschule weiterentwickelt und stark berufsorientiert ausgestaltet worden. Die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler sei ausgeweitet worden; Dennoch, räumt Unger ein, stellten Arbeitgeber für bestimmte Berufe eben besondere Anforderungen.
Für junge Leute ohne Lehrstelle gebe es in Bayern die sogenannten B-Klassen - Berufsorientierungsklassen, bei denen Mittelschule und Berufsschule zusammenarbeiten. Leistungsstärkere und -willigere könnten andererseits die einjährige Vorklasse zur Fachoberschule besuchen und sich in Fächern wie Mathematik oder Deutsch fit machen. Wer die FOS 13 schafft, hat mit einer zweiten Fremdsprache die allgemeine Hochschulreife.
Lehrer-Präsident spricht von Heuchelei
"Die Heuchelei in der Mittelschuldebatte"ärgere ihn, sagt Klaus Wenzel, der Präsident des Lehrerverbandes BLLV: "Einerseits wird die Notwendigkeit dieser Schulart immer wieder beteuert, andererseits werden Lehrer und Schüler im Stich gelassen." Wenzel: "Dies ist umso bedauerlicher, als gerade die Absolventen der Mittelschule über wertvolle Qualifikationen und anspruchswolle Kompetenzen verfügen."
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