Neue Serie: Wie ist die Asylsituation im Landkreis, wie wird sie sich verändern – und was muss getan werden? Asyl: Was ist im Landkreis los?

Von Sarah Bernhard
Nur noch acht Bewohner hat die Notunterkunft in Bad Berneck. Ingrid Gleißner-Klein, die zu einer Kontrolle gekommen ist, und Bryan Darrow vom Sicherheitsdienst haben wenig zu tun. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Im Moment kommen kaum neue Flüchtlinge nach Oberfranken. Während die Notunterkünfte schon zum größten Teil verwaist sind, sind die dezentrale Unterkünfte noch ziemlich voll. Im Landratsamt ist man sowieso schon einen Schritt weiter. Dort geht es ums Ganze. Eine Reise durch den nördlichen Landkreis.

 
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Leere Flure: Die Notunterkunft Bad Berneck

Zum Mittagessen gibt es Hühnchenschnitzel mit Tomaten-Couscous. In der riesigen, lichtdurchfluteten Halle sitzen aber nur eine Ukrainerin mit ihrer kleinen Tochter und ein junger Iraker beim Essen. Reihen um Reihen weiterer Bierbänke bleiben leer. Acht Bewohner hat die Notunterkunft im ehemaligen Popp-Gebäude in Bad Berneck im Moment. In Spitzenzeiten waren es 250.

Doch seit die Balkanroute geschlossen ist, werden Notunterkünfte kaum mehr gebraucht. Vier ihrer zwölf Unterkünfte, alles Turnhallen, hat die Regierung von Oberfranken mittlerweile wieder geschlossen, für die anderen, darunter Bad Berneck und Kulmbach, wird gerade ein Konzept erarbeitet.

Acht Leute machen keinen Dreck

Ingrid Gleißner-Klein vom Landratsamt ist zu einer unangemeldeten Kontrolle nach Bad Berneck gefahren. Die Chefin des Ausländeramts soll sich die Beschwerden der Bewohner anhören und aufpassen, dass alles sauber ist. Doch wie viel Dreck können acht Bewohner in einem dreistöckigen Fabrikgebäude schon machen?

Gleißner-Klein läuft durch leere Flure, die Türen, die von dort in die großen Schlafhallen führen, sind mit Bettgestellen verstellt. Die auf der anderen Flurseite, hin zu den kleinen Zimmern, sind mit Tüchern verhängt. Der Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts, der immer in der Nähe der Zimmer sein muss, hängt gelangweilt auf seinem Stuhl. Bewohner sind, außer beim Essen, nicht zu sehen. Das einzige Problem, das Gleißner-Klein heute entdecken wird, ist eine Kinderrutsche, die vor dem Notausgang steht.

Volle Zimmer: Dezentrale Unterkunft Warmensteinach

Bei Angelika Steuer in Warmensteinach ist die Situation völlig anders. Der ehemalige Gasthof Puchtler ist mit 100 Asylbewerbern so voll wie nie. „Bonbon“, ruft gerade ein kleiner Junge und streckt die Hand zur Bürotür hinein. Steuer, von der Gemeinde angestellt, um sich um die Bewohner zu kümmern, seufzt und drückt ihm eine Weingummischlange in die Hand.

Eigentlich will sie sich damit beschäftigen, dass Waschmaschinen und Trockner viel zu oft kaputt sind, weil die Kinder beim Spielen Sand und Steine hineinwerfen. Allein im vergangenen halben Jahr sind sechs Geräte ausgefallen, „Wäsche rüber und nüber“, wie waschen und trocknen bei den Bewohnern heißt, müsste neu organisiert werden.

„Bonbon, biiiiiitteeeeee!“

Doch schon kurz darauf steht der kleine Junge wieder da. Mit fünf anderen Kindern im Schlepptau. „Bonbon, biiiiiitteeeeee“, rufen alle durcheinander. „Immer das Gleiche“, sagt Steuer, gibt jedem eine Schlange – und schließt dann für einige Zeit die Tür ab. Ansonsten käme sie gar nicht mehr dazu, einen Schließplan für die Waschküche zu erarbeiten.

Langsam wird die Zahl der Bewohner aber wohl auch in den dezentralen Unterkünften wie in Warmensteinach sinken, da Asylbewerber seit kurzem bis zu sechs Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben sollen (der Kurier berichtete). Zudem werden immer mehr Menschen anerkannt, die dann eigentlich aus den Unterkünften ausziehen müssen. Alleine im Puchtler sind das 13 Personen, im Landkreis 110. Die meisten finden aber noch keine Wohnung. Vor allem wegen der Sprachbarriere, sagt Gleißner-Klein.

Die Ideen von morgen: Landratsamt Bayreuth

Doch die ist nicht das einzige Hindernis, das überwunden werden muss, wenn Deutsche und Migranten zusammenleben wollen. Manchmal sind auch Vorurteile im Weg. Und Detlev Schmidt und Silvia Herrmann wollen sie ausräumen.

Die beiden stehen im Landratsamt vor einer Karte des Landkreises, die mit bunten Nadeln gespickt ist. Er ist Leiter der regionalen Entwicklungsagentur, sie koordiniert das Projekt „Demokratie leben“, das mit 85.000 Euro allein in diesem Jahr unter anderem die Integration fördern soll.

Rassisten erreicht man nur mit Kreativität

Zum Beispiel, indem Vorurteile ausgeräumt werden. „Aber die Frage ist: Wie kommen wir an die Leute ran, die rassistische Aussagen treffen?“, fragt Schmidt. Kreativ, emotional, witzig müssten die Aktionen sein, sagt Herrmann. Sie wollen es mit Videoclips versuchen. Und mit Flyern.

„Wie bringen wir die denn in die Haushalte?“, fragt Herrmann gerade. „Wenn wir sie mit der Post verschicken, gehen sie doch unter.“ Schmidt zeigt auf die Karte. Jede Nadel steht für ein Integrations-Projekt, für Menschen also, die man um Hilfe bitten könnte. Rund um Pottenstein aber steckt keine einzige Nadel. „Wenn wir die Ehrenamtlichen bitten, wird es in manchen Gebieten recht kompliziert“, sagt Schmidt. Sie werden sich später noch einmal zusammensetzen und überlegen, wen sie ansprechen könnten.

Das Landratsamt will die Gesellschaft kitten

Im Lauf des Jahres wollen die beiden noch ein zweites Projekt starten. Eines, das auf der anderen Seite ansetzt: Sie wollen den Neuankömmlingen demokratische Werte vermitteln. „Die Rolle der Frau zum Beispiel. Wenn man sich Köln vor Augen führt, sieht man, wie wichtig das ist“, sagt Schmidt. Es soll eine Vorbereitung sein, auf das Leben in einer fremden Gesellschaft. „Wie wir das machen, wissen wir aber noch nicht.“

Eines wissen die beiden aber sicher: Je mehr Migranten dauerhaft hierbleiben, desto wichtiger wird ihre Arbeit werden. Für die, die neu im Landkreis ankommen. Und für die, die schon lange hier sind. „Wir wollen beide Seiten zusammenführen“, sagt Schmidt. „Und damit den Kitt legen, der die Gesellschaft künftig zusammenhält.“

Die neue Serie

In loser Folge betrachtenwir in den kommenden Wochen verschiedene Aspekte des Themas Asyl näher. Die Teile werden die Aspekte Wohnen, Integration, Sicherheit und Fachkräftemangel behandeln.

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