Historiker und FDP-Kreisrat Hermann Hiery kritisiert die aktuelle Flüchtlingspolitik der Bundesregierung Hiery kritisiert "hysterische" Asylpolitik

Von Sarah Bernhard
Die Asylpolitik Angela Merkels sei hysterisch, gefährde das Gemeinwohl und sei außerdem noch dumm, sagt FDP-Kreisrat Hermann Hiery. Foto: Sven Hoppe/dpa Foto: red

Als Einziger hat Hermann Hiery (FDP) in der letzten Kreistagssitzung gegen einen Antrag der SPD gestimmt, in dem ein Runder Tisch für Flüchtlinge gefordert wird. Er sagt aber auch: Die CDU und Bundeskanzlerin Angela Merkel machen es noch schlechter. Im Interview erklärt er warum – und was die Stimmung im Land noch schlechter macht als zu Zeiten der RAF.

 
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Herr Hiery, was haben Sie gegen den Antrag der Kreis-SPD?
Hermann Hiery:
Es tut mir leid, aber da steckt mir zuviel Ideologie drin.

Wie meinen?
Hiery:
In dem Antrag steht unter anderem: „Deutschland erlebt einen historischen Zustrom an Flüchtlingen. An dieser Situation wird sich kurz- und mittelfristig nichts ändern.“ Aber das wissen wir nicht. Und selbst, wenn es wahrscheinlich ist, heißt das nicht, dass man es nicht ändern kann. Man wird doch Politiker, um zu gestalten und nicht, um einfach alles hinzunehmen. Und wenn es im Antrag weiter heißt: „Wie die Kanzlerin … zurecht feststellte, kennt das Grundrecht auf Asyl keine Höchstgrenzen“, dann ist das verfassungsrechtlich problematisch, weil es bei den Beratungen zum Grundgesetz immer um ein individuelles Grundrecht ging. Außerdem ist es politischer Unfug.

Was hätte die Politik denn stattdessen tun sollen?
Hiery:
Sich besser vorbereiten. In dem Moment, als die Flüchtlinge in Ungarn waren, hatten sie bereits Schutz vor Verfolgung. Als großer Staat mit entsprechendem ökonomischem Rückhalt kann, ja soll man trotzdem helfen. Aber man hätte in der Verwaltung sinnvolle Vorschläge zur konkreten Hilfe erarbeiten lassen sollen, die Grundlinien der deutschen Hilfspolitik dann im Bundestag diskutieren und vor allem die Bevölkerung mit einbeziehen müssen. Stattdessen macht man hysterische Politik, die überhaupt nicht durchdacht ist und reicht sie dann von oben nach unten durch. Das ist wie in der DDR.

Sie vergleichen die Bundesrepublik mit der DDR?
Hiery:
Man könnte sie auch mit der Monarchie vergleichen. Frau Merkel ist aber keine Königin. Und meine schon gleich gar nicht. Wir haben bestehende Gesetze und internationale Vereinbarungen gebrochen und zum Beispiel einfach das Dublin-Abkommen außer Kraft gesetzt.

Aber erstens nur für Syrer. Und zweitens erlaubt Artikel 17 des Dublin-Abkommens den Mitgliedsstaaten, die Rückführung aus humanitären Gründen auszusetzen.
Hiery:
Es geht zunächst nicht ums Rückführen, sondern ums Reinlassen. Für die Bevölkerung sieht das so aus, als ob die da oben machen, was sie wollen – ganz wie anno dunnemal. Aber Demokratie ohne Rechtsstaat geht nicht, auch nicht aus humanitären Gründen. Das führt zu Ablehnung, die man ja tatsächlich überall spüren kann.

So schlecht sieht es doch bei uns gar nicht aus. Ein Asylbewerber auf 124 Oberfranken, das ist doch nicht übermäßig viel.
Hiery:
Die Sache ist wie ein Gewitter über die Kommunen und Landkreise hereingebrochen. Gerade die deutsche Gründlichkeit, die überall gelobt wird, ist völlig den Bach runter gegangen. Von mir aus könnten es auch 100 Asylbewerber auf 1000 Oberfranken sein, sofern sie unsere Werte respektieren.

Und jetzt?
Hiery:
Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Als Historiker kann ich sagen: In der Regel könnte jedes Gesetz, das erlassen wird, von der nächsten Regierung wieder rückgängig gemacht werden. Es wäre zwar schwierig, aber theoretisch könnten wir sogar aus der EU austreten, wenn wir wollten. Aber wir können nicht einfach alle Flüchtlinge wieder rauswerfen. Das wäre nicht nur unmenschlich, sondern auch politisch völlig unmöglich. Wer so etwas fordert, kann nicht mehr ganz bei Trost sein.

Na ja, mal angenommen, die Bundesregierung würde eine Möglichkeit finden, die Zahl der Flüchtlinge künftig zu begrenzen. Das wäre dann doch auch nichts anderes als erst der EU bei- und dann wieder auszutreten.
Hiery:
Nein, weil die Entscheidung, die Grenzen zu öffnen, eine Dynamik entwickelt hat, die nicht rückgängig gemacht werden kann. Und die unser Gemeinwesen gefährdet. Denn sie hat unsere Bevölkerung gespalten, wie es seit 1949 noch nie der Fall gewesen ist. Der Riss, der derzeit bis durch die Familien geht, war selbst bei der umstrittenen deutschen Wiederbewaffnung nicht so tief wie heute. Nicht einmal die Terroristen der sogenannten RAF konnten in dieser Beziehung unsere Demokratie gefährden. Denn damals stand die Bevölkerung geschlossen hinter der Regierung. Das ist heute eben zunehmend nicht mehr der Fall. Dabei bräuchte man für so eine große Aufgabe einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens.

Dann frage ich Sie jetzt nochmal: Was soll die Bundesregierung Ihrer Meinung nach machen?
Hiery:
Meiner Meinung nach führt an dem Rücktritt von Frau Merkel kein Weg vorbei. Sie hat sich völlig verrannt. Sie ist das, was man gelegentlich bei Studenten beratungsresistent nennen muß – unwillig, ja unfähig, Fehler und Versäumnisse abzustellen und zu korrigieren. In jedem Fall müssen Integrationsmaßnahmen obligatorisch gemacht werden. Deutschkurse, Integrationskurse, und wer unserem Grundgesetz nicht zustimmt, wird nicht akzeptiert. Das ist in den Vereinigten Staaten nicht anders. Ich frage mich sowieso, warum Menschen überhaupt hierher kommen wollen, wenn sie unsere Werte nicht teilen, sie sogar in Wort und Tat öffentlich denunzieren.

Haben Sie keine Angst, mit Ihren Aussagen in die rechte Ecke gestellt zu werden?
Hiery:
Wir tragen eine Verantwortung gegenüber unseren Vorfahren und unseren Nachkommen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht aus Angst vor dem letzten großen Unfall beim stetigen Blick in den Spiegel nach hinten den Geisterfahrer von vorne verpassen. Es gibt in der Geschichte selten nur schwarz und weiß. Es gibt auch grau. Manchmal ist dieses Grau heller und manchmal ist es dunkler. Wer anfängt, die Bevölkerung in gute und schlechte aufzuteilen, weil ein Teil die eigene Politik nicht oder nicht mehr unterstützt, muss gegenwärtigen, irgendwann einmal mit ähnlichen Maßstäben gemessen zu werden. Eine historische Grundlehre lautet: Der Zweck heiligt nie die Mittel. Allenfalls halten die Leute ihren Mund. Wollen wir eine Gesellschaft der Heuchelei? So dass wie in der DDR die Leute am Ende anders reden als sie denken? Wenn wir nicht nach anderen Lösungen suchen, wird uns das Chaos überwältigen. Und dieses Chaos wird auch den Flüchtlingen schaden, weil reguläre Hilfe dann nicht mehr möglich ist.

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