Keine hundertprozentige Klarheit
„Ich habe eine andere Sicht vom Gericht bekommen“, sagt der 20-Jährige zum Richter. Er sei immer davon ausgegangen, dass man nur für etwas bestraft wird, dass man auch gemacht hat. Nun sehe er, dass es auch anders sein kann.
Hundertprozentige Klarheit, was genau vorgefallen ist, wird es nicht geben. Das sagt auch der Richter in seiner Urteilsbegründung. Es habe eine unübersichtliche Lage geherrscht und das Erinnerungsvermögen der zahlreichen Beteiligten sei unterschiedlich. Trotzdem habe er keinen Zweifel an der Aussage der Geschädigten, die den Angeklagten eindeutig als den Schläger identifiziert habe. Bei der Polizei hatte sie Bilder dabei, die sie in Facebook recherchiert hatte und den Angeklagten erkannt.
Und auch ihre Mutter, die sie damals in Trockau abholte, habe ihn – zwar nicht namentlich – erkannt. „Wenn man seinem Schädiger gegenübersteht, prägt sich das Gesicht ein“, betont Kahler. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Geschädigte in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt oder großen Belastungseifer an den Tag gelegt habe.
Und es spreche auch nichts dafür, dass der bereits verurteilte Bekannte zu Unrecht entlastet werden soll. „Im Gegenteil, wenn die Aussagen von Mutter und Tochter unterschiedlich wären, könnte man meinen, die denken sich was aus“, sagt Kahler. Das sei aber nicht der Fall gewesen.
Keine bewusste Falschaussage
„Im Zweifel für den Angeklagten“, fordert der Verteidiger in seinem Plädoyer einen Freispruch für seinen Mandanten. „Die Geschädigte ist die Einzige, die sagt, dass der Angeklagte zugeschlagen hat“, so der Anwalt. Alle anderen würden was anderes sagen. Er unterstelle der Geschädigten keine bewusste Falschaussage, aber sie habe sich wohl einmal getäuscht und bei der Polizei und vor Gericht unterschiedliche Angaben gemacht.
„Im Zweifel für den Angeklagten kann angewendet werden, aber nicht in dem Fall“, entgegnete der Staatsanwalt. Für ihn sei sicher, dass der Angeklagte zugeschlagen hat. Der Fokus der Geschädigten liege darauf zu erkennen, wer sie geschlagen hat und sie habe eine detaillierte Beschreibung des Angeklagten geliefert. Er fordert, den 20-Jährigen nach Jugendstrafrecht zu verurteilen, spricht sich aber dafür aus, die Geldauflage in Arbeitsstunden umzuwandeln.
Erziehungsgedanke wird verfolgt
Dem entspricht dann auch der Richter. „Die persönlichen Verhältnisse haben sich geändert, der Angeklagte ist arbeitslos“, so Kahler. Aber das Landgericht verfolge den Erziehungsgedanken und der Angeklagte solle die Strafe spüren. Eine Geldauflage würden die Eltern bezahlen und würde somit die Familie treffen.