Ambros begeistert im Zentrum

Von Wolfgang Karl
Wolfgang Ambros im Zentrum. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ein alter Fahrensmann, mit einer Stimme nicht mehr mit höchsten Tönen, aber viel Tiefe: Wolfgang Ambros war im Zentrum zu Gast und begeisterte nicht nur unsern Rezensenten als Legende, die nicht zum Denkmal ihrer selbst erstarrt ist.

 
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Der Jüngste ist Wolfgang Ambros nicht mehr. Mit seinem Alter kokettiert er, und zwar so hinterkünftig, dass man es zunächst nicht sagen kann: Gespielt oder wahr? Seine Ansagen zwischen den Liedern spricht er unglaublich langsam. Er zieht die Sätze in die Länge, bricht ab, man könnte meinen, er habe vergessen, was er sagen wollte. Wenn er dann herausbringt, was er sagen will, wenn es denn das war, was er sagen wollte: Dann wird’s nicht selten mit einer Pointe garniert.

Kurz: Es ist nicht ganz leicht, ihm zuzuhören zwischen den Liedern.

Doch wenn er Günter Dzikowksi (Piano) , und Roland Vogel am Bass loslegen, dann gibt es keine Probleme. Dann hört er sich nicht rüstig, sondern sogar sehr fit an. Dann steht Ambros auf festem Boden. Tausende Male gespielt, erklingt jeder Akkord dort, wo er sein soll. Die Stimme klingt nicht mehr so brüchig, diese Stimme mit der Erinnerung an Rauch und Wein und Whiskey und Jahrzehnte des Alp’n‘Roll. Diese Stimme singt vielleicht nicht mehr in höchsten Höhen vom „Skifoarn“, dafür aber in voller Tiefe vom Leben.

Obacht, hier hat einer erlebt, wovon er singt. Nie hat sein Spitzname als „Johnny Cash Österreichs“ so gut gepasst, wie jetzt in der Zeit seiner Nachreife. Im ausverkauften Zentrum kann man spüren: Eine Legende steht auf der Bühne. Eine Legende, die nicht lassen will noch kann. Drei Stunden Auftritt stehen Ambros und seine Kollegen locker durch. Auch das ist eine reife Leistung. Manchmal lässt er ein Lied vorm letzten Akkord verklingen. Das ist seine Art, sich vor Georg Danzer zu verbeugen, vor dem vor zehn Jahren verstorbenen Freund, der das auch oft so gemacht habe, um die Spannung zu erhöhen, wie Ambros sagt. Er belässt es nicht bei dem dramaturgischen Mittel, er spielt auch eines von Danzers Liedern.

In der ersten Reihe sitzen drei Schwestern, die vor 30 Jahren nach Paraguay ausgewandert waren und beim Konzert in Bayreuth in der ersten Reihe sitzen. Pianist Dzikowski erkennt die drei wieder, es gibt reichlich Hallo und ein kurzes Gespräch. Ambros ist verwundert, über das Gedächtnis seines Keyboarders: „Daran erinnerst du dich?“

Das Publikum ist mit Ambros reif geworden. Es kann die Texte mitsingen, klatscht mit, spendet frenetischen Beifall. Ovationen am Ende, ob er nochmal rauskommt ist eine berechtigte Frage. Aber zum letzten Akt will er eben noch spielen, „womit alles angfangen hat“, den „Sündenbock“.

Irgendwann wird es zu Ende sein, dieser Auftritt heute Abend, und irgendwann die Reihe seiner Auftritte überhaupt. Doch hoffentlich noch nicht so bald. Das Publikum singt bei „Schifoarn“ das ganze Lied mit und hat danach noch immer nicht genug.

„Wir kommen ganz sicher wieder,“ ruft Ambros, und: „Gott schütze euch alle!“ Dann schlurft er hinter die Bühne, man stützt ihn dabei. Vielleicht ist er doch so alt, wie er einem am Anfang vorkam. Oder einfach nur müde nach einem bemerkenswerten Abend.