Okka von der Damerau arbeitet gerne mit Frank Castorf zusammen „Als Darsteller trägt man eine Mitverantwortung“

Von Eva Kröner
 Foto: red

Sie trägt einen ostfriesischen Vornamen, einen westpreußischen Adelstitel als Nachnamen, stammt aus Stade bei Hamburg und lebt heute genau am anderen Ende Deutschlands: Seit drei Jahren singt Okka von der Damerau an der Bayerischen Staatsoper. Ihren Münchner Alltag teilt die Altistin mit zwei kleinen Kindern und einem Mann in Elternzeit.

 
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Erst sieben Jahre auf der Opernbühne und jetzt schon bei den Bayreuther Festspielen: Das läuft ja gut für Sie, Frau von der Damerau. Dabei hatten Sie als Sängerin einen holprigen Start.
Okka von der Damerau: Durch meine ersten Aufnahmeprüfungen an der Hochschule bin ich richtig schön durchgerasselt. Ich war über den Schulchor kurz vor dem Abitur zum Singen gekommen und wollte es zum Beruf machen. Mein Vater fand das nicht sehr überzeugend, er ist Allgemeinarzt und hätte gerne gehabt, dass ich seine Praxis übernehme. Ich hatte zwar Klavierunterricht, klassische Musik war aber in der Familie nur eingeschränkt präsent. Sicherheitsorientiert, wie ich bin, habe ich nach dem gescheiterten Versuch erst mal eine Lehre gemacht. Um etwas Abgeschlossenes zu haben.

Was für eine Lehre war das?
Damerau: Hörgeräteakustik.

Das ist ja der Musik ein bisschen verwandt.
Damerau: Denkt man immer. Stimmt aber überhaupt nicht. Es ist ein Dienstleistungsberuf mit acht Stunden Publikumsverkehr am Tag. Hörtests, Beratung, Programmieren, handwerklich die Sachen bearbeiten, das ist auch technisch anspruchsvoll. Mir hat der Beruf viel Spaß gemacht. Man kann den Leuten wirklich helfen, die ja isoliert von der Gesellschaft sind, sie psychologisch auffangen.

Wie ging es dann weiter?
Damerau: Nach der Ausbildung habe ich den zweiten Versuch an den Hochschulen gemacht, und wieder hat es nicht geklappt. Erst im dritten Anlauf konnte ich endlich in Rostock mein Studium beginnen. Später wechselte ich nach Freiburg, sozusagen der nächste Weg diagonal durch die Republik.

Hier in Bayreuth dürfen Sie jetzt als Rheintochter gemütlich am Pool liegen. Was sind Floßhildes besondere Charaktereigenschaften?
Damerau: Sie ist souverän, lustvoll, lebensfreudig. Ein starker Typ. Und sie ist die, die die anderen so ein bisschen zurechtweist. In unserer Inszenierung sind die Rheintöchter sehr menschlich, richtige Frauen, lasziv und etwas obszön. Sie haben offenbar eine Vergangenheit. Wir gehen an Alberich richtig ran, er hat an uns nicht nur Freude.

Mögen Sie die Inszenierung?
Damerau: Ja, mag ich. Für die Szenen, in denen ich dabei bin, stehe ich gerade. Ich finde ja, dass man als Darsteller eine Mitverantwortung trägt. Wenn man etwas vollkommen schrecklich findet, dann muss man es auch sagen. Frank Castorf ist nicht der Typ, der einen zu etwas zwingt. Wer das so empfindet, der hat irgendeinen anderen Frank kennengelernt.

Also war es für Sie eine gute Zusammenarbeit?
Damerau: Ich finde Frank einfach super. Als Mensch mag ich ihn, und ich finde ihn als Regisseur ernstzunehmend. Ich verstehe total, was ihn treibt. Ihm ist das alles nicht egal. Genau das wurde ihm ja hier und da unterstellt, dass er nur inszeniert um des Provozierens willen. Das glaube ich keinen Moment, so wie ich ihn erlebe. Es geht ihm wirklich um etwas, und wenn er das Gefühl hat, das wird nicht umgesetzt, macht ihn das unglücklich. Und das mag ich.

Die Festspiele mit der DDR zu vergleichen, dem Publikum einen Vogel zeigen: Das ist doch schon ziemlich provozierend.
Damerau: Er provoziert sicher gerne, aber aus so einer Unruhe als Künstler heraus. Provokation ist wohl eines seiner Energiemittel, das er braucht, um auf ein bestimmtes Energielevel zu kommen. Damit setzt er Kreativität frei.

Das Gespräch führte Eva Kröner.

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