Hermann Schuster von der Aidsberatung Oberfranken Aids: "Das erfährt meist nur der Partner"

Von Katharina Wojczenko
Hermann Schuster (60) leitet die Aidsberatung Oberfranken. Archivfoto: Ronald Wittek Foto: red

HIV-positiv: Etwa 3500 Menschen erhalten jedes Jahr diese Diagnose. 83 400 Menschen leben mit HIV und Aids in Deutschland. Sie leben immer länger und immer besser, sagt Hermann Schuster (60), anlässlich des heutigen Welt-Aids-Tags. Schuster leitet seit 1989 die Aidsberatung Oberfranken. Aber das Stigma besteht weiter.

 
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Wie gehen Betroffene heute mit der Diagnose um?

Hermann Schuster: Die meisten wollen es für sich behalten. Das bringt einen chronischen Druck mit sich. Wenn jemand sehr selbstbewusst damit umgeht, vertraut er sich seinem Freundeskreis an. In der Regel weiß es der Partner. Das bedeutet einen Vertrauensvorschuss. Beziehungen gehen zu Ende, manchmal gibt es Krieg – und dieses Wissen kann dann instrumentalisiert werden.

Ist Aids nach all den Jahren Aufklärungsarbeit wie am heutigen Weltaidstag noch so ein soziales Tabu?

Schuster: Etwa 75 Prozent der Betroffenen – schätzungsweise 13 000 Menschen wissen nicht, dass sie infiziert sind – nehmen Medikamente. Bei erfolgreicher Therapie ist das Infektionsrisiko gleich null. Im Kopf ist das also gar keine Frage. Wenn man aber nach dem Bauch geht, haben viele Vorurteile. Nur 44 Prozent würden weiter zu ihrem Arzt gehen, wenn sie wüssten, dass er HIV-positiv ist. Nur 22 Prozent würden ihr Kind mit einem HIV-positiven Kind spielen lassen. Das hat eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergeben. Man kann also nicht genug aufklären.

Wie lässt es sich mit HIV leben?

Schuster: HIV=Aids=Tod: Als wir 1989 anfingen, war das real. Heute sterben jährlich etwa 500 Menschen in Deutschland an Aids. Keine dramatische Zahl. Sie sterben in einem Alter, wo man nicht mehr sagen kann, ob sie an Aids oder an den Nebenwirkungen der Medikamente gestorben sind. Diese sind enorm unterschiedlich. Manche haben keine Nebenwirkungen. Andere Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall oder bekommen dünne Beine. Wenn man aber zehn, 20, 25 Jahre täglich Medikamente nimmt, hat das Auswirkungen auf Herz-Kreislauf und Leber, bei manchen steigt das Herzinfarktrisiko.

Die Aidsberatung Oberfranken hat im vergangenen Jahr 592 Menschen beraten und 89 Frauen und Männer mit Aids begleitet.

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