Ausbildungsmarkt: Jede zweite Stelle unbesetzt, jeder zweite Bewerber unversorgt Abiturienten drängen Hauptschüler ab

Von Nils Wischmeyer
Obwohl jede zweite Stelle unbesetzt ist, ging rund die Hälfte der Bewerber leer aus. Foto: Archiv Foto: red

Rein rechnerisch gibt es für jeden Bewerber eine Stelle: Sechs Monate nach Beginn des Ausbildungsjahres ist jede zweite Stelle im Bezirk Bayreuth-Hof noch frei. Gleichzeitig sind 1511 Bewerber leer ausgegangen. Grund: Viele Bewerber können sich nicht richtig ausdrücken. Und in den beliebten Berufen machen immer mehr Abiturienten den Haupt- und Realschülern Konkurrenz.

 
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„Da macht sich die demografische Entwicklung bemerkbar“, sagt Oliver Gießübel, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Oberfranken.

Zum 31. März 2014 sind in Bayreuth und Hof noch immer mehr als 56 Prozent aller Ausbildungsplätze unbesetzt. Das geht aus einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit Bayreuth-Hof hervor. Demnach sind seit Ausbildungsbeginn am 1. Oktober 2013 von den insgesamt 2893 ausgeschriebenen Ausbildungsstellen nur knapp 1400 besetzt worden.

Dabei gibt es genug Schulabgänger, die nach einem Ausbildungsplatz suchen. Knapp 1500 der insgesamt 2801 Bewerber sind in der Statistik als „unversorgt“ gelistet. Rein rechnerisch wäre für jeden Bewerber eine Stelle frei.

Aber so einfach ist es nicht, sagt Peter Liewald von der Handwerkskammer Oberfranken. „Der Berufswunsch deckt sich schließlich nicht immer mit den freien Stellen.“ Zu viele Bewerber streben eine vergleichsweise kleine Zahl an Berufen an – und müssen sich dann gegen eine große Konkurrenz beweisen. „Viele Gymnasiasten verdrängen Realschüler und Hauptschüler aus den Ausbildungsberufen. Diese bleiben auf der Strecke“, sagt Wolfgang Hasibether, Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds Bayreuth. Auch das zeigt die aktuelle Statistik der Bundesagentur für Arbeit. In den vergangenen sechs Monaten konnten sich demnach nur 25 Prozent der Suchenden  mit Hauptschulabschluss einen Ausbildungsplatz finden.

Doch selbst wenn man die Konkurrenz abgeschüttelt hat, gibt es noch eine entscheiden Hürde: Die Unternehmen.

Und die sind mit den aktuellen Schulabgängern so gar nicht zufrieden. Laut einer Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) von 2013 erfüllen die Bewerber nicht die Anforderungen der Unternehmen. Von den 15000 befragten Firmen gaben 75 Prozent an, dass dem Bewerber die nötige Reife fehle, mehr als die Hälfte bemängelte die unklare Berufsvorstellung der Schulabgänger. Weitere Probleme der Schulabgänger seien das Fehlen von elementare Rechenfertigkeiten und Ausdrucksvermögen.

„Zuallererst müssen wir den Jugendlichen in den Schulen wieder Mut machen“, sagt Liewald. Er will sie für neue und unpopuläre Berufe motivieren. „Da sind die Chancen auf einen freien Platz um einiges größer und die Übernahmechancen sind gigantisch.“

Doch auch in den populären Berufen könne man Fuß fassen, wenn man sich bei kleinen oder mittelständischen Unternehmen bewerbe. Diese sind oft nicht so bekannt, bieten aber trotzdem eine gute Ausbildung. Und zahlen genau so gut wie die Platzhirsche.

Generell verdienen Auszubildende im Moment so gut wie noch nie. Laut einer Studie des BIBB aus dem vergangenen Jahr sind die Ausbildungsgehälter auf einem Rekordniveau. Maurer oder Mechatroniker beispielsweise können sich in Westdeutschland über mehr als 900 Euro im Monat freuen. Trotzdem gibt es noch viele Branchen, die eher magere Löhne zahlen.  So verdient eine Auszubildende zur Friseurin in Westdeutschland durchschnittlich gerade einmal 469 Euro, ein Auszubildender zum Bäcker muss sich mit 550 Euro im Monat begnügen und ein Maler oder Lackierer muss mit 558 Euro über die Runden kommen.

Das weiß auch Wolfgang Hasibether. Er erhofft sich eine Verbesserung durch die Einführung des  Mindestlohns. Aber eigentlich komme es gar nicht auf das Gehalt an: „Das Wichtigste ist, dass die jungen Leute eine Ausbildung haben.“ Und die Chancen standen noch nie so günstig wie jetzt. „Wenn wir sie jetzt noch aktiv in den theoretischen Teilen der Ausbildung unterstützen, können viele optimistisch in die Zukunft schauen.“ Denn das Angebot ist da: „Man muss nur die Wege gehen, die die an deren nicht gehen.“

Die Top 5 Berufe nach Beliebtheit bei den Bewerbern (insgesamt 2801)

Industriekaufmann/-frau (278 Bewerber, 9,9 Prozent)

Verkäufer/-in (185 Bewerber, 6,6 Prozent)

Kfz.mechatroniker - PKW-Technik (123 Bewerber, 4,57 Prozent)

Industriemechaniker/-in (109 Bewerber, 3,89 Prozent)

Medizinische/r Fachangestellte/r (106 Bewerber, 3,78 Prozent)

Die Top 5 Berufe nach unbesetzten Stellen in Unternehmen (insgesamt 1637)

Kaufmann/-Frau im Einzelhandel (119 unbesetzte Stellen, 7,3 Prozent)

Verkäufer/-in (79 unbesetzte Stellen, 4,8 Prozent)

Industriekaufmann/- Frau (53 unbesetzte Stelle, 3,2 Prozent)

Fachverk. -Lebensm.handwerk – Fleischerei (51 unbesetzte Stelle, 3,1 Prozent)

Maschinen- und Anlagenführer/-in (36 unbesetzte Stellen, 2,2 Prozent)

Die Top 5 Berufe nach unversorgten Bewerbern (insgesamt 1511)

Verkäufer/-in (125 unversorgte Bewerbern, 8,3 Prozent)

Industriekaufmann/-frau (119 unversorgte Bewerbern, 7,9 Prozent)

Kfz.mechatroniker - PKW-Technik (72 unversorgte Bewerber, 4,8 Prozent)

Bürokaufmann/-frau (67 unversorgte Bewerber, 4,4 Prozent)

Kaufmann/-frau im Einzelhandel (65 unversorgte Bewerber, 4,3 Prozent)

Top & Flop im Verdienst

Die Top 3 der Verdiener (im Durschnitt pro Monat in Westdeutschland)

Maurer/-in (999 Euro)

Mechatroniker/-in (938 Euro)

Kaufmann/-frau für Versicherung und Finanzen (935 Euro)

Die Flop 3 der Verdiener (im Durschnitt pro Monat in Westdeutschland)

Friseur/-in (469 Euro)

Bäcker/-in (550 Euro)

Maler/-in und Lackier/-in (558 Euro)

Bilder