27 Millionen für wertloses Patent

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Angeblich wollte der Angeklagte einen revolutionären Hydraulik-Motor bauen (Symbolbild). Doch das Finanzamt Coburg durchschaute das Gewirr und schickte den Antrag zur Staatsanwaltschaft, anstatt das Geld auszuzahlen. Foto: dpa Foto: red

Ein Gutachter hat das Wort im Hofer Prozess um versuchte millionenschwere Steuerhinterziehung. Er lässt an einem vermeintlich revolutionären Bus-Antrieb kein gutes Haar.

 
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Eine Kurzvorlesung in Antriebstechnik und Hydraulik konnte man jetzt bei der dritten Strafkammer des Landgerichts Hof erleben. Dort müssen sich seit dem November des vorigen Jahres eine 66-Jährige Hausfrau aus dem Landkreis Coburg und ein 48-jähriger Münchner wegen versuchter Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu verantworten. Die 66-Jährige hatte im Juli 2012 beim Finanzamt Coburg eine Rechnung über 27 Millionen Euro für ein angebliches Patent vorgelegt, dessen Rechte sie laut einem Vertrag von dem Münchner erworben hatte. Bei dem Patent, das erst angemeldet, aber noch nicht einmal geprüft war, ging es um einen angeblich neuartigen Antrieb speziell für Busse.

Obwohl der Kaufpreis real gar nicht geflossen war, wollte sich die Frau vom Finanzamt die Vorsteuer in Höhe von 5,1 Millionen Euro erstatten lassen. Die 27 Millionen sollten erst später in Form von Stücklizenzen an den Münchner bezahlt werden. Das Finanzamt Coburg zahlte die Millionen jedoch nicht aus, sondern reichte den Vorgang an die Staatsanwaltschaft weiter. Diese geht in ihrer Anlage davon aus, dass beide Angeklagte selbst nicht an den wirtschaftlichen Erfolg des Antriebs glaubten, sondern nur an der Vorsteuer-Erstattung interessiert waren.

Die Offenlegungsschrift des Patentes stammte von dem „Erfinder“ Richard N., der vor dem Landgericht schon vor Wochen einen bizarren Auftritt hingelegt hatte. So gab er unter anderem einen anderen Namen an und verlangte die Vorlage der „Bestallungsurkunde“ des Vorsitzenden Richters Siegbert Übelmesser. Ebenso wie die 66-jährige Angeklagte und deren Ehemann wird er der Reichsbürger-Szene zugerechnet. Das Gericht hätte ihn gern über Einzelheiten seiner Erfindung befragt. Doch Richard N. weigerte sich mit dem Hinweis darauf, dass er keine Angaben machen müsse, durch die er sich selbst belasten würde.

Daraufhin beschloss das Gericht, Nägel mit Köpfen zu machen. Mit Professor Dr. Markus Geimer wurde einer der führenden deutschen Experten auf dem Gebiet der Hydraulik mit einem Gutachten beauftragt. Geimer ist Lehrstuhlinhaber am Institut für Fahrzeugsystemtechnik des renommierten Karlsruher Instituts für Technologie. Zuvor war er Entwicklungsleiter und Produktmanager bei führenden Hydraulikunternehmen, darunter eines Krupp-Unternehmens für Hydraulik-Hämmer gewesen.

Geimer hatte sich über die Patentanmeldung von Richard N. gebeugt und trug nun in Hof seine Einschätzung vor. Eindeutiger ging es kaum noch: Als „fehlerhaft“, „technisch nicht machbar“ oder seit Längerem „bekannt“ bewertete der Wissenschaftler da, was der „Erfinder“ zu Papier gebracht hatte. Niemals wäre Richard N. dafür ein Patent erteilt worden. Denn alles, was in der Schrift noch plausibel erscheint, ist keineswegs neu, sondern schon seit Längerem bekannt und in öffentlich zugänglichen Quellen beschrieben worden. Seit Längerem gebe es schon schwere Arbeitsmaschinen, in deren Antrieb die Verbindung von Dieselmotor und Hydraulik verwirklicht sei. Sie fahren unter andrem auf amerikanischen Müllkippen umher.

Der Professor fand aber auch zahlreiche Unklarheiten und Fehler in den Skizzen, die den Kern der Offenlegungsschrift zur Patentanmeldung bilden. So sei nicht vorstellbar, wie bei den Bus-Antrieben ein Druckspeicher funktionieren soll, in dem die Bremsenergie gesammelt und zum Anfahren wieder zur Verfügung gestellt werden solle – der eigentliche Clou der vermeintlichen Erfindung. In den Zeichnungen gebe es außerdem offensichtliche Funktionslücken, die nach dem heutigen technischen Stand auch nicht plausibel zu schließen sind. Einen Bus hätte man also damit nicht betreiben können. Immerhin gestand der Gutachter zu, dass die Zeichnungen von jemanden stammten, der Anfangskenntnisse in Hydraulik und Antriebstechnik besitzt.

Am Schluss des bereits zehnten Verhandlungstages ließen sich die Verteidiger die Unterlagen des Wissenschaftlers kopieren. Um sich selbst noch einmal in die Materie einzuarbeiten.

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