Glyphosat: Gift im Vorgarten

Von Christina Knorz
Politiker aller Fraktionen diskutieren ein Verbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln für Private. Die Nachfrage danach aber ist riesig. Bei Jens Kronefeld im Hagebaumarkt Bayreuth fragen jeden Tag Kunden genau danach. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Mittel heißen Roundup oder Vorox und versprechen dem Haus- und Gartenbesitzer eine effektive Unkrautbekämpfung. Der Wirkstoff darin ist Glyphosat, der ist umstritten, aber die Deutschen kaufen ihn tonnenweise, um Einfahrt, Beet und Gehweg unkrautfrei zu halten. Das wollen Landespolitiker verbieten.

 
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Jens Kronefeld (39) spricht seit 18 Jahren jeden Arbeitstag mit Kunden über Unkrautvernichtung. Glyphosat ist sein ständiger Begleiter. Seit einem Jahr führt er Diskussionen, weil es den Wirkstoff nicht mehr im Konzentrat zu kaufen gibt.

Nachfrage ungebrochen

Der Hagebaumarkt in Bayreuth hat wie andere Baumärkte auch auf die öffentliche Debatte um Glyphosat reagiert. Der Wirkstoff steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Bewiesen ist das bisher nicht. Schlagzeilen von Glyphosat in Bier und Muttermilch schwappten durch die Republik. An der Nachfrage habe das nichts geändert, sagt Kronefeld. Wohl aber kann er jetzt keine Glyphosat-Konzentrate mehr bestellen. Was für die Kunden ärgerlich sei, da die Fertiggemische erheblich teurer sind. Auch mit den Fertiggemischen könnte bald Schluss sein.

Hausbesitzer ohne Fachwissen

Horst Arnold aus Fürth sitzt für die SPD im Landtag. Er sagt: „Glyphosat ist als Unkrautvernichter unschlagbar.“ Er sagt aber auch: „Im privaten Bereich hat das nichts verloren.“ Sein Argument: Den Privaten fehle das Fachwissen im Umgang mit dem Pflanzengift. Und: Der Einsatz sei nicht zu regulieren. Deshalb setzt er sich für ein Verbot ein und findet fraktionsübergreifend Mitstreiter, auch bei der CSU-Politikerin Gudrun Brendel-Fischer. Sie sagt: „Wer nur kleine Mengen braucht, überzieht erfahrungsgemäß die Konzentration.“

Landwirte wissen, wie es geht

Private Unkrautvernichter schneiden schlecht ab im Vergleich mit Landwirten. In einem Kontrollbericht des Bundes heißt es dazu, dass private Nutzer „häufig glyphosathaltige Mittel falsch anwenden. Nämlich indem sie die Mittel auf Gehwegen und in Hauseinfahrten verwenden. Das ist verboten. Glyphosat gelangt so über den Kanal in Flüsse und Seen. Für Friedrich Ernst vom Amt für Landwirtschaft in Bayreuth ist die fehlerhafte Anwendung von Unkrautvernichtungsmitteln in Haus und Garten der „gefährlichste Eintrittspfad für Glyphosat“ (siehe Interview). Pflanzenschutzmittel hätten im Wasser „nichts verloren“.

Glyphosat für die Einfahrt? Verboten!

Jens Kronefeld berät am Mittwoch im Hagebaumarkt eine Bayreutherin. Das Unkraut ärgere sie, sagt die 87-Jährige. Mit Vorox habe sie gute Erfahrungen gemacht. Wo sie das Mittel denn anwenden wolle, fragt Kronefeld. Auf dem Gehsteig, antwortet die Bayreutherin. Dann könne er ihr Vorox aber nicht verkaufen, sagt Kronefeld. Das bringt dem Verkäufer ein Lob ein vom Verbraucherschutzministerium: „Er hat seine Beratungspflicht richtig ausgeübt“, sagt Andreas Tief. Verkäufer brauchen mittlerweile Sachkundenachweise und werden auch regelmäßig unabhängig kontrolliert.

Kunden sind sensibler geworden

Die Bayreutherin kauft das Mittel später dann aber doch mit dem Hinweis, sie brauche es für ihre Beete. Für SPD-Mann Arnold ein Beweis dafür, dass er mit dem Verbots-Antrag recht hat. „Es gibt keine Handhabe, dass Privatleute Glyphosat maßvoll und vernünftig einsetzen.“ Hagebaumarkt-Berater Kronefeld hält das für übertrieben. Die Pflanzenschutzmittel seien weniger aggressiv als früher und die Kunden sensibler. „Viele fragen, ob das Mittel dem Kind oder der Katze schadet. Die Kunden sind mündig und informieren sich.“ Mit Verbots-Politik habe er seine Probleme.

Unkrautzupfen als Gymnastik

Obst- und Gartenbau- und Umweltverbände werben für Unkrautbekämpfung ohne Chemie. Günter Dörfler (CSU) ist Kreisvorsitzender der Landschaftspflegevereine im Landkreis Bayreuth und plädiert für einen Verzicht auf Spritzmittel. „Ich wünsche mir, dass das alle so machen.“ Brendel-Fischer zupft um ihr Haus herum das Unkraut mit eigener Hand. Sie hält es „für gute Gymnastik“.

Glyphosat auch auf Bahngleisen und Schulhöfen

SPD-Mann Arnold hat neben dem privaten einen weiteren Glyphosat-Graubereich ausgemacht: Kommunen und öffentliche Einrichtungen. Auf Bahngleisen und Schulhöfen, ehemaligen Landesgartenschau-Flächen und öffentlichen Grünanlagen werde das Pflanzengift versprüht. Zwar müssten die Kommunen in Bayern dafür eine Ausnahmegenehmigung beantragen, aber gerade einmal fünf Prozent täten dies. Arnold: „Die Dunkelziffer ist hoch.“

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Info: Glyphosat steht im Verdacht Krebs zu erregen. Bewiesen ist das nicht. Der Unkrautvernichter ist in Europa auch nach den heftigen öffentlichen Debatten der vergangenen Monate zugelassen. Bis Ende 2017 soll die europäische Chemiekalienagentur Echa ihre Bewertung vorlegen. Auf dieser Grundlage soll dann entschieden werden, ob das Unkrautvernichtungsmittel für weitere 15 Jahre zugelassen wird.

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Interview mit Friedrich Ernst, Fachmann für Pflanzenbau am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Bayreuth:

"Glyphosat hat im Wasser nichts verloren"

Warum kann der Einsatz von Glyphosat im privaten Bereich problematisch sein?
Friedrich Ernst: Glyphosat wird in Verbindung mit der Erde, mit aktivem Boden ziemlich schnell abgebaut und ist deshalb beim Einsatz in der Landwirtschaft oder im Gartenbau unproblematisch. Wenn Glyphosat aber auf Pflaster oder auf teilversiegelten Flächen eingesetzt wird, ist das ein großes Problem und der gefährlichste Eintrittspfad für Glyphosat im Wasser. Denn die Substanz wird nicht abgebaut, liegt auf dem Pflaster, wird mit dem Regen in die Kanalisation geschwemmt, kann aber in den Kläranlagen nicht abgebaut werden und gelangt dann ins Oberflächenwasser.

Warum ist Glyphosat im Wasser gefährlich?
Ernst: Es ist nicht gefährlicher als andere Stoffe. Aber es ist ein Pflanzenschutzmittel und das hat im Wasser laut Trinkwasserverordnung nichts verloren. Es gibt eigentlich keine Grenzwerte für Oberflächenwasser. Da man aber nie sicher sagen kann, ob es Verbindungen zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser gibt, ist es das Ziel, dass gar keine Pflanzenschutzmittel ins Wasser gelangen.

Die Politik diskutiert ein Verbot für Glyphosat im privaten Bereich, ist das sinnvoll?
Ernst: Ich befürworte das. Es gibt im privaten Bereich mit Abflammen oder Kehrmaschinen gute Alternativen, Unkraut zu vernichten. Anhand von Anzeigen wissen wir, dass es Fehlanwendungen im privaten Bereich gibt. Das sind sicher nur Einzelfälle, aber mit einem Verbot gibt es eine klare Regelung. Und ob man jedes Grün wirklich abtöten muss, ist ja auch noch eine Frage.

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Glyphosat: FAQ

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat zu den am häufigst gestellten Fragen zu Glyphosat Antworten verfasst. Das vollständige Dokument finden Sie hier. Ein Auszug:

Was ist Glyphosat?

Glyphosat (chemische Bezeichnung: N-(Phosphonomethyl)glycin) ist weltweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln, die zur Verhinderung von unerwünschtem Pflanzenwuchs im Kulturpflanzenbau oder zur Abtötung von Pflanzen oder Pflanzenteilen verwendet werden. Diese Mittel werden als Herbizide oder umgangssprachlich als "Unkrautbekämpfungsmittel" bezeichnet.

Wie wirkt Glyphosat in Pflanzen?

Glyphosat hemmt das Enzym 5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat (EPSP)-Synthetase, das in Pflanzen für die Biosynthese der Aminosäuren Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan essenziell ist. Dieses Enzym kommt bei Tieren und beim Menschen nicht vor.

Wozu wird Glyphosat eingesetzt?

Glyphosat wird in der Landwirtschaft und im Gartenbau zur Bekämpfung von Wildkräutern (Unkraut) verwendet.

Welche Eigenschaften zeigte Glyphosat in toxikologischen Studien?

Glyphosat wird nach oraler Verabreichung zu etwa 20 % aus dem Magen-Darm-Trakt absorbiert und innerhalb von 7 Tagen wieder nahezu vollständig ausgeschieden. In Tierversuchen zeigt Glyphosat eine geringe akute Toxizität nach einmaliger oraler, dermaler oder inhalativer Verabreichung. Glyphosat ist augenreizend, aber nicht hautreizend oder allergen. Bei wiederholter Verabreichung von Glyphosat kam es in Dosierungen oberhalb des NOAEL (No-observed adverse effect level) zu Veränderungen der Speicheldrüsen und Wirkungen auf die Leber und den Blinddarm, außerdem traten schleimhautreizende Effekte im Magen-Darm-Trakt und in der Harnblase sowie Linsentrübung der Augen auf. In allen Studien konnte ein klarer NOAEL, d.h. eine höchste Dosis, bei der keine gesundheitlich schädigenden Wirkungen auftreten, festgestellt werden.

Geht von Glyphosat ein Risiko aus, für den Menschen krebserregend zu sein?

Das BfR kommt nach Prüfung aller bislang vorliegenden Studien, Dokumente und Veröffentlichungen einschließlich der Glyphosat-Monographie der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO (IARC) zu dem Ergebnis, dass nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist.

Dürfen Glyphosatrückstände in Lebensmitteln nachweisbar sein?

Wie für andere genehmigte Pflanzenschutzmittelwirkstoffe sind von der Europäischen Kommission auch für Glyphosat Rückstandshöchstgehalte in Lebensmitteln festgelegt. Die Rückstandshöchstgehalte beziehen sich immer auf eine Wirkstoff/Kultur-Kombination und berücksichtigen die jeweilige Anwendungsart. Die Höhe der erlaubten Rückstände wird auf Basis von Rückstandsversuchen ermittelt, die nach den Regeln der guten landwirtschaftlichen Praxis durchgeführt werden. Die gesundheitlichen Grenz- oder Referenzwerte dürfen durch die festgelegten Rückstandshöchstgehalte auch bei Vielverzehrern bestimmter Lebensmittel nicht überschritten werden.

Was bedeutet es, wenn Glyphosat im Urin von Menschen und Tieren nachgewiesen wurde?

Glyphosat ist ein zugelassener Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln zur Unkrautbekämpfung und zur Sikkation (Vorerntebehandlung). Rückstände in Lebensmitteln und Futtermitteln bis zum erlaubten Rückstandshöchstgehalt sind daher zulässig. Menschen und Tiere können folglich über Lebensmittel und Futtermittel geringe Mengen an Glyphosat aufnehmen. Da Glyphosat vom Körper schnell wieder ausgeschieden wird, ist zu erwarten, dass Spuren des Wirkstoffes im Urin von Menschen und Tieren nachzuweisen sind. Die bisher nachgewiesenen Glyphosatkonzentrationen im Urin weisen jedoch nicht auf eine gesundheitlich bedenkliche Belastung von Anwendern oder Verbrauchern mit Glyphosat hin.

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